(MQ) Dort, wo die Rosen blühen... 7. Quest

Die Salische Ebene - Ebene des SirSteelKing

Moderator: Ephirnion

Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Dwarusch zappelte wie ein Käfer auf dem Rücken, als er versuchte, sich wieder aufzurichten. Zorn gärte in ihm ob der unsanften Behandlung und dem Umstand, dass ihm sein Bart die Sicht versperrte. Einer plötzlichen Intuition folgend hob der Zwerg eine Hand und teilte die so wundervoll gekämmte Haarpracht, die ihm nun vorm Gesicht hing. Er zwinkerte, um einige widerspenstige Locken aus seinen Augen zu entfernen, dann zwinkerte er noch einmal, vollkommen verblüfft ob des Anblicks, der sich ihm bot.
Es schien, dass ein riesiger Felsen mitten auf dem Weg stand und nach dem Zustand von Elf und Pferd zu urteilen, die bewusstlos auf dem Boden lagen, war Elessar mit voller Wucht gegen ihn geritten. Dwarusch furchte die Stirn, während er sich wie betäubt mit einem Arm hochstemmte und sich in eine sitzende Position brachte. Sein Kopf dröhnte, doch er wollte gar nicht wissen, wie dem Pferd die Ohren klingen musste. Sofern es denn noch lebte, denn der Fels sah außerordentlich massiv aus, so wie es Gestein eben an sich hatte.

Dwarusch richtete sich vollends auf und taumelte zu den beiden Bewusstlosen hinüber, wobei er die bohrenden Kopfschmerzen, die ihn bei jedem Schritt von neuem plagten, zu ignorieren versuchte. Nahe Elessar ließ der Zwerg sich auf den Boden fallen und würdigte das Pferd, welches eine große Platzwunde am Kopf davongetragen hatte, nur eines kurzen Blickes. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Elfen, welcher sehr blass war, aber außer einigen Abschürfungen und vielen blauen Flecken unverletzt schien. Dwarusch sammelte sich gerade, um einen Heilzauber auszusprechen, da ertönte plötzlich ein Donnern, so laut, dass es dem noch angeschlagenen Zwerg fast den Schädel sprengte. Er blickte hoch, in Richtung des Felsens, der so unsanft Bekanntschaft mit Pferd und Reiter gemacht hatte und seine Kinnlade klappte ihm herunter, als er sah, was dort geschah. Der Fluch, den er hatte ausstoßen wollen, erstarb auf seinen Lippen und kein Wort verließ seine staubtrockene Kehle, als sich der Felsen aufrichtete, lange Arme entfaltete und sich ausgiebig streckte, um daraufhin mit laut von den Wänden der Schlucht widerhallenden Schritten in Richtung des Pferdes zu gehen.

Als sich Dwarusch nach einigen Momenten der völligen Erstarrung wieder erholt hatte, durchzuckte ihn ein einzelner Gedanke: Bergtroll! Er hatte von solchen Wesen gehört, solch gigantischen lebenden Steinformationen, denn einige von ihnen sollten an den Hängen des Zwergenbergs leben, doch gesehen hatte er ein solches Wesen noch niemals. Urplötzlich erinnerte sich der Zwerg wieder an die vielen Lehrstunden mit seinem Großvater, der ihn stundenlang über einem unglaublich dicken Wälzer mit dem Namen "Bestiarium Providentias" hatte sitzen lassen, damit der Enkel die Lebewesen der Welt einzuordnen wusste.
Allerdings empfand Dwarusch keinerlei Erleichterung über den Umstand, dass er immerhin den Namen des Geschöpfs wusste, welches ihn gleich zerreißen würde - eine diplomatische Lösung kam wohl kaum in Frage, wenn man sich die dümmliche Zielstrebigkeit, mit welcher sich der Steintroll dem gestürzten Pferd näherte, anschaute.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Verzweifelt packte Dwarusch seinen Streitkolben und zog ihn aus der Lasche, die ihn normalerweise an seinem Gürtel baumeln ließ. Benommen rappelte er sich auf, kaum in der Lage, die schwere Waffe zu halten, denn noch immer schwirrte ihm der Kopf und seine Kraft schien ihn verlassen zu haben. Es war aussichtslos. Der Troll würde ihn einfach in den Boden stampfen, ohne einen Gedanken an ihn zu verschwenden, denn offensichtlich stellte er keinerlei Gefahr mehr dar. Dwarusch stöhnte vor Anstrengung, doch der Streitkolben entglitt seinen kraftlosen Fingern und der Zwerg fiel auf die Knie, unfähig die Augen von dem granitenen Ungetüm zu wenden, welches die Untersuchung des Pferdes abbrach und herüberwankte, da der Zwerg offensichtlich ein viel lustigeres Spielzeug zu sein versprach. Stumme Tränen rollten an Dwaruschs staubverkrusteten Wangen hinab, als er sein Verderben näherkommen sah. Er weinte nicht um sich, sondern weinte um das Schicksal, welches ihn in Rogus erwartet hatte und nun in unerreichbare Ferne gerückt war - für immer. Und er weinte auch um den Elf, der unweigerlich das nächste Opfer des Steintrolls sein würde, denn auch wenn er ihn zu jeder Zeit grob behandelte, hatte er Elessar doch zu schätzen gelernt.

Dwarusch schloss die Augen, seinen Gott um Vergebung betend, auf dass er ihn bestrafe für sein Versagen, doch der Schlag, der Dwaruschs Leben beenden sollte, kam nicht. Verstört öffnete der Zwerg wieder die Augen, als ein lautes Dröhnen davon kündigte, dass sich der Troll entfernte und kurz darauf ertönte ein langgezogener klarer Ton, der unerklärliche Freude in Dwaruschs Herz aufquellen ließ wie Sumpfgas in einem Tümpel.
Der kniende Zwerg blickte nach rechts, in die Richtung, in die sie vor dem unsanften Zusammenprall mit dem Troll geritten war und sah eine Gestalt in schimmernder Rüstung auf einem prächtigen Schlachtross nicht weit entfernt stehend. Die Gestalt setzte das reich verzierte Horn, dass sie soeben noch so kühn geblasen hatte, ab und klappte das Visier ihres Helms herunter, was ein an den Nerven zerrendes Quietschen zur Folge hatte. Der Handwerker in Dwarusch stellte unterbewusst fest, dass die Schaniere des zylinderförmigen Helms dringend einmal geölt werden mussten, als die funkelnde Gestalt eine Lanze, größer als ein ausgewachsener Mensch, ausrichtete und ihrem Pferd die Sporen gab.

Erst kurz vor dem Zusammenprall bemerkte Dwarusch benebelter Geist, dass sich die Gestalt in vollem Galopp auf den Steintroll zubewegte und dieser ihr laut brüllend entgegenlief. Ein hässliches Geräusch, wie von knackenden Knochen, erklang, als die stahlummantelte Spitze der beim Aufprall splitternden Lanze in die Brust des Ungetüms eindrang und dieses von der Wucht des Angriffs zurückgeschleudert wurde. Die mit Rüstung, Helm und einem himmelblauen Umhang angetaene Gestalt auf dem Pferd ritt noch eine Weile weiter, dann wendete sie und warf den Rest der zerstörten Lanze weg. Mit einem erneuten Quietschen stieg sie ziemlich ungelenk ab und zog ein mächtiges Breitschwert aus der Scheide, die an ihrem Gürtel hing. Sie packte die Waffe mit beiden Händen und schritt dann gemessenen Schrittes auf den am Boden liegenden, sich aber langsam wieder rührenden Trolls zu und hob das Schwert hoch über den Kopf, als sie ihn erreichte. Dwarusch wandte den Blick ab, als die Klinge zustieß und er hörte, wie die Gestalt das Schwert noch etliche Male niederfahren ließ, bevor sie quietschend hinter dem Zwerg zum Stehen kam und ihn sanft - sofern das mit in stahlummantelten Kettenhandschuhen steckenden Händen eben ging - an der Schulter. Doch da war Dwarusch schon nicht mehr bei Bewusstsein, das ganze war einfach zu viel für ihn gewesen. Stumm kippte er nach vorn und landete auf dem regungslosen Körper Elessars.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Wie geht es ihm?" Eine gedämpfte Stimme, offenbar verzweifelt darum bemüht, leise zu sein. "Den Umständen entsprechend recht gut. Er ist aber immer noch fürchterlich schwach, soweit ich das beurteilen kann." Dwarusch schmatzte schlaftrunken, während seine schwieligen Hände das Leinentuch befühlten, welches die Matratze bedeckte, auf der er lag. Ihm war sonderbar leicht in der Region seines Kopfes und er fühlte sich, als wäre sein ganzer Körper in Watte gepackt. Alles fühlte sich seltsam gedämpft an. Das Licht einer Laterne an der Decke über seinem Kopf, das Quietschen, mit dem sie im Wind, welches durch ein offenes Fenster zu seiner Rechten seinen Weg ins Zimmer gefunden hatte, schwang und einen pendelnden Lichtkreis warf. Ein Klirren von der anderen Seite ließ Dwarusch seinen Kopf mit quälender Langsamkeit herumdrehen, wobei er sich regelrecht zwingen musste, die Augen offenzuhalten, denn seine Lider waren schwer wie Blei und wollten so gern zufallen. Ein Arm schob sich in sein Blickfeld, in der Hand eine bauchige Flasche mit einer grünlichen Flüssigkeit darin, und Dwarusch war zu schwach, um ihn beiseite zu schieben. Er spürte Glas an seinen Lippen, dann wie etwas seine Kehle hinunterrann und einen Augenblick später war er wieder in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

Elessar fuhr sich abwesend durch sein langes goldenes Haar, das auch schon einmal bessere Zeiten erlebt hatte. Wann allerdings, daran konnte der Elf sich nicht entsinnen. Betrübt blickte er aus dem Fenster, eines von vielen in dem Bogengang vor Dwaruschs Zimmer. Er drehte sich nicht um, als die Tür leise ins Schloss fiel und beinahe lautlose Schritte vom Kommen Mensys kündeten. "Euer Freund wird genesen. Doch wird es einige Tage dauern, bis er sich völlig erholt hat." Elessar lächelte stumm auf diese Worte, doch dann entschied er sich doch zu einer Antwort. "Mir scheint, Ihr seit noch nicht vielen Zwergen begegnet. Sie sind zäher als sie aussehen - auch wenn das kaum möglich scheint." Bei diesen Worten drehte sich der Elf endlich um und zwinkerte seinem Gegenüber fröhlich zu. Mensys lächelte nachsichtig. Unwillkürlich betrachtete Elessar den Mann genauer, kannte er ihn doch erst seit einigen Stunden. Er war sehr klein, reichte dem Elfen kaum bis zur Brust. Sein Schädel war kahlgeschoren und er trug einfache weiße Roben. Kein Schmuck zierte Finger oder Hals, sein einziges Zugeständnis an seinen Stolz schien sein gepflegter schneeweißer Bart zu sein, der das im Alter sanfter erscheinende Gesicht, abgerundet erschienen ließ.

Elessar hatte eine tiefe Zuneigung zu Mensys verspürt, seit er ihn über sich aufgerichtet gesehen hatte, wie er fürsorglich über seine Stirn strich und dabei leise Worte in einer ihm fremden Sprache murmelte. Wie sich herausstellte, war Mensys der zweithöchste Priester des Ordens hier in Ulsany, der Stadt der Rosentempler. Wie er dem Elfen nach seiner Genesung erzählte, hatte der Hohepriester zuvor stundenlang an den Betten der beiden Gefährten gesessen und seine ganze Heilkunst eingesetzt, um ihnen zu helfen. Dann war er von einigen Lehrlingen in seine Gemächer geführt worden, wo er fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung gefallen war. Elessar war nach erfreulich kurzer Zeit kräftig genug, um seinen entkräfteten Zwergenfreund zu besuchen und nun standen die beiden hier, im Gang vor Dwaruschs Zimmer.
"Kommt", sagte Mensys plötzlich und ergriff Elessar sanft am Arm, da der Elf immer noch ab und zu plötzliche Schwächeanfälle erlitt. "Ich will Euch in Euer Zimmer zurückführen, Ihr braucht Ruhe" Elessar konnte nicht anders, er nickte zustimmend und lächelte dankbar.

Am nächsten Morgen

"Ich hoffe ich störe nicht?" Elessar sah auf und setzte den Krug mit Fruchtsaft ab, den er gerade an die Lippen hatte führen wollen. "Mensys!", protestierte er in gespielter Entrüstung. "Ihr stört doch niemals!" Der kahle Heiler lächelte, erfreut über die offensichtlich rapide Genesung seines Patienten, wobei die Falten in seinem Gesicht ein interessantes Muster formten. "Wie ich sehe, seit Ihr schon wieder bei bester Gesundheit", meinte er mit einem Anflug von Spott, als er sich gegenüber Elessar an den kleinen Tisch in dessen Zimmer setzte. Der Elf grinste und nickte bestätigend - ein Marmeladenbrot in seinem Mund hinderte ihn daran, etwas zu sagen.
"Ich dachte, Ihr würdet vielleicht an einer kleinen Führung durch die Stadt Gefallen finden. Und danach würde ich Euch gerne Eure beiden Retter vorstellen." "Waren es denn zwei? Ich dachte, der Hohepriester hätte für uns gesorgt?", fragte Elessar etwas perplex. Mensys lachte ein kleines geheimes Lachen. "Glaubt Ihr denn, dieser Felsen, der Euch gerammt hat, dieser Steintroll, hat sich in Luft aufgelöst? Es war jemand aus unserem Orden, der das Monstrum besiegt und Euch in die Stadt gebracht hat." "Es wäre mir eine Ehre ihn kennzulernen.", entgegnete Elessar. "Gut"
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Lasst mich raten: Dies sind dann wohl die Ställe, ja?" "Ja, das sind sie tatsächlich. Woher wusstet Ihr das?" Mensys Stimme klang erstaunt. Elessar rümpfte demonstrativ die Nase. "Der Geruch ist unverkennbar, mein Freund." Einen Moment lang sahen sich die beiden Männer an, dann brachen sie beide in Gelächter aus. Elessar hatte in den vergangen zwei Stunden eine Menge über die Stadt der Rosentempler, welche diese Ulsany nannten, gelernt. Die ringförmige Stadt wurde von dicken Mauern umrahmt, deren deren Höhe an die sechs Meter betrug. Im Osten und Westen waren riesige Tore mit großen, gusseisernen Fallgittern in das Mauerwerk eingelassen und ein Burggraben umgab die Stadt, überspannt von zwei Zugbrücken. Alle hundert Meter an der gesamten Mauer erhob sich ein bewehrter Turm und auf den Zinnen patroullierten Tag und Nacht Soldaten. Der äußere Ring der Stadt beinhaltete die Wohnhäuser der einfachen Bürger, während die Trutzburg, welche auf einem kleinen Hügel lag und die Mitte Ulsanys dominierte, von einem inneren Wall umgeben war und in sich alle Handwerksbetriebe, den Marktplatz, die Kasernen und die anderen Ausbildungszentren der Ritter und Priester einschloss. Vier gewaltige Türme ragten an den vier Himmelsrichtungen auf und würden wohl selbst solch eine Armee entmutigten, die den äußeren Wall durchbrochen hatte, denn auf den Plattformen war genügend Platz für ein Dutzend mächtiger Katapulte. Ulsany war eine Festung, geplant für einen einzigen Zweck: Den Krieg

Als Elessar eine entsprechende Frage an Mensys richtete, bestätigte dieser ernst nickend die Vermutungen des Elfen. "Die Rosentempler zogen vor Jahrhunderten, wenn nicht sogar Jahrtausenden freiwillig in die Rosenschlucht, um den Paß zu bewachen, der in die Ebene führt. In den Höhlen und an den Hängen im Norden leben grausige Kreaturen und zwar nicht wenige. Ulsany ist die Bastion, die sie daran hindert, sich auf die Ebene zu ergießen und das ganze Land mit Krieg zu überziehen. Was Ihr hier seht, wurde im Laufe von Jahrhunderten erbaut. Ah, da sind wir ja"
Elessar blickte auf und sah, dass er vor dem gewaltigen Tempel stand, der direkt an die Burg grenzte. Ein blasser junger Mann kam die Stufen heruntergeeilt und begrüßte sie förmlich, indem er sich vor Mensys tief verneigte und Elessar höflich zunickte. "Janus, der Kämmerer des Hohepriesters - Elessar, der Elf, den unser Vater geheilt hat", machte Mensys die beiden miteinander bekannt. "Wir sind hier, damit Elessar unserem Vater seinen Dank übermitteln kann. Geht es dem Ehrwürdigen gut?" "Er hat sich noch nicht vollständig erholt, doch fühlt er sich stark genug, Euch und Euren Freund zu empfangen, Bruder. Folgt mir." Der Kämmerer drehte sich um und führte sie in den Tempel, wo sie die gut besuchte Haupthalle mit ihren Fresken und Schreinen durchquerten und durch eine unscheinbare Tür am Ende des riesigen Raums schritten.

Am Ende des langen Gangs, der sich daran anschloss, öffnete Janus eine weitere Tür und schloss sie hinter Elessar und Mensys, als sie den Raum dahinter betreteten hatten. In dem von Sonnenlicht durchfluteten Raum lag auf einem einfachen Bett ein Mann Ende fünfzig, dessen Haupt ein eisengrauer Haarkranz schmückte und in dessem Gesicht wachsam zwei grünlich funkelnde Augen, so undurchdringlich wie Smaradge, funkelten.
"Ah, Mensys", begrüßte er seinen Stellvertreter und Elessar war ein wenig erschrocken über die brüchige, krächzende Stimme des Hohepriesters. "Und wenn das nicht der Elf ist, der zerschunden und bewusstlos in unsere schöne Stadt gekommen ist?! Ich würde mich gerne erheben und Euch die Hand schütteln, mein Sohn, doch bin ich dazu noch zu schwach." Elessar wusste nicht, was er sagen sollte, daher murmelte er nur: "Ich wollte Euch danken, Vater" Doch der alte Mann winkte ab und zwinkerte Mensys schwach zu. "Aber nicht doch. Ich war nur das Werkzeug für den Willen der Götter. Ihr schuldet mir keinen Dank. Doch vielleicht könnt Ihr mich mit einer guten Geschichte erfreuen; später, wenn ich mich erholt habe und auch Euer Freund wieder bei Gesundheit ist." "Es wäre mir eine Ehre", erwiderte Elessar ernst. "Gut, sehr gut, mein Sohn. Komm ein wenig näher." Elessar gehorchte und der Hohepriester hob seinen rechten Arm und legte ihm den Elfen auf das Haupt. "Ich segne dich, mein Sohn. Möge dein Leben erfüllt sein und du Frieden und Freude empfinden." Der alte Mann zog die Hand zurück und lächelte Elessar warmherzig an, welcher das Lächeln unwillkürlich erwiderte. "Wir sollten dem Hohepriester nun ein wenig Ruhe gönnen. Kommt." Mensys dirigierte Elessar vorsichtig zur Tür, wo er noch einmal innehielt und dem auf dem Bett liegenden Mann ernst zunickte. "Vater..."
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Als Elf und Priester die breite Treppe zum Tempelvorplatz hinunter schlenderten, berührte Mensys den in Gedanken versunkenen Elessar plötzlich am Arm und richtete dessen Blick auf eine, das Haupt demütig gesenkte Gestalt am unteren Ende der Treppe, ein Knie gebeugt. "Euer Retter", informierte Mensys Elessar auf dessen fragenden Blick. Der Elf bewältigte die letzten Stufen und kam kurz vor dem in eine glänzende Rüstung gehüllten Ritter zum Stehen. Schulterlanges, gelocktes Haar von ölig schwarzer Farbe verdeckte das Gesicht des Mannes und sein Atem ging schneller, als zwei Paar Füße in seinem Blickfeld auftauchten.
"Erhebe dich, meine Tochter", sagte Mensys in seiner leisen Stimme und mit dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen. Elessar stockte der Atem. Tochter? Als die Gestalt sich erhob, bemerkte der Elf die ausgeprägte Wölbung des Brustpanzers, der in diesem Fall seinen Namen mit Fug und Recht trug und einen Moment später blickte er in das zarte Gesicht einer jungen Frau, die nicht viel älter als Sarah sein konnte. Elessar vertrieb diesen letzten Gedanken schnell. Er wollte in diesem Moment nicht unbedingt an sie denken...
Interessiert musterte er die Frau vor ihm. Nach wenigen Augenblicken erkannte er, dass er sich geirrt hatte - der Eindruck des auf den ersten Blick so sanften Gesichts wurde von den Falten, die sich tief in die Haut um die Augenpartie gefressen hatten, Lügen gestraft. Um die vollen Lippen spielte ein strenger Zug, der einen Hauch von Geringschätzigkeit beinhaltete und die Stirn der Fremden schien bestens dazu geeignet zu sein, vor Zorn gerunzelt zu werden.

"Dies ist Manya, die Ritterin, die Euch vor dem steinernen Ungetüm in der Schlucht gerettet hat. Maya, dies ist Elessar" Die attraktive Frau neigte höflich den Kopf, wobei ihr eine Locke in die Augen fiel. Elessars Hände zuckten unwillkürlich, als er den impulsiven Drang verspürte, ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Doch Manya schüttelte mit einer Geste, die von Unbeherrschtheit zeugte, den Kopf und ihr Haar nahm wieder dem ihm gebührenden Platz ein.
"Es freut mich, Euch wieder bei Gesundheit zu sehen, Elf", sprach sie ihn förmlich an, weder ihre Augen noch ihre Stimme versprühten Wärme. "Manya ist die vielversprechendste Schülerin unseres Ordens und obwohl sie noch sehr jung ist, verfügt sie bereits über erstaunliche Fähigkeiten", warf Mensys ein und zwinkerte Elessar unverblühmt zu. Der Elf fand, dass nette alte Männer keine solch zweideutigen Bemerkungen von sich geben sollten.
"Äh, ich bin Euch für meine und die Rettung meines Freundes sehr dankbar, Manya", stotterte Elessar etwas unbeholfen, verunsichert von dem herrischen Auftreten der Ritterin "Der Zwerg?", fragte sie und zum ersten Mal vermeinte der Elf so etwas, wie Interesse in ihren dunklen Augen aufglimmen zu sehen. "Ja, genau. Dwarusch ist sein Name und er ist mein Gefährte auf dem Weg in die Festung Rogus." "Rogus?", fragte Manya interessiert, unbewusst einen Schritt nach vorne machend. "Ich selbst habe vor..." Doch weiter kam sie nicht, denn Mensys stellte sich den beiden geradewegs in den Weg und schenkte der schönen jungen Frau ein gutmütiges Lächeln. "Verzeiht, meine Tochter, doch Elessar ist noch etwas schwach auf den Beinen..." Der Elf wollte protestieren, doch mit einem Mal fühlte er, dass Mensys recht hatte - so, wie der nette alte Kleriker immer recht zu haben schien. "Ja", bestätigte Elessar und seine Stimme klang plötzlich kränklich und schwach. "Ja, mir ist tatsächlich etwas unwohl. Ihr entschuldigt uns?" "Aber natürlich" Manya verabschiedete sich höflich und wünschte dem Elfen gute Besserung, dann verschwand sie in der Menge auf dem Platz in der Mitte der Festung.

"Und dieser Trank wird mir bestimmt helfen?", fragte Elessar zweifelnd, misstrauisch die schwefelgelbe Brühe in der Flasche betrachtend, die Mensys in der Hand hielt. "Aber ja", versicherte ihm dieser und der Elf verspürte einen angenehmen inneren Frieden bei diesen Worten. Er ergriff die Flasche und trank einen großen Schluck und kurz darauf war er auch schon eingeschlafen. Mensys zog die Flasche vorsichtig aus den leblosen Fingern des Elfen, um sie dann auf den Nachtschrank neben dem Bett zu stellen. Er erhob sich von der Bettkante, strich noch einmal die Decke glatt und verließ dann den Raum, um nach seinem anderen Patienten zu sehen.
"Nun, wie geht es ihm?", fragte er den Lehrling, welcher am Bett Dwarusch gewacht, kaum dass er den Raum betreten hatte. "Nicht gut, Vater", erwiderte dieser, sich hastig erhebend. "Er phantasiert im Schlaf und wacht einfach nicht aus diesen furchtbaren Albträumen auf, die ihn in ihren Klauen gefangen halten." "In Ordnung", erwiderte Mensys beruhigend. "Ihr könnt jetzt gehen, mein Sohn" Hastig stand der junge Mann auf und ging zur Tür, doch warf er noch einmal einen Blick zurück, bevor er die Schwelle überschritt. "Sollte ich nicht doch vielleicht den Hohepriester holen?" "Das wird nicht nötig sein", meinte Mensys gelassen, doch ein eisiger Unterton schwang in seiner Stimme mit. Als der andere den Raum verlassen hatte, beugte sich Mensys über den Zwerg im Bett und flüsterte wie zu sich selbst: "Noch ein wenig mehr von meiner Heilkunst und Ihr werdet schon bald meinen Befehlen gehorchen, mein lieber Dwarusch..."
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Er will Euch sehen" Elessar sprang förmlich auf, als die leise, angenehme Stimme Mensys von der Tür her ertönte. Der alte Kleriker lächelte, während er den Elfen mit einem Wink aufforderte, ihm zu folgen. "Wie geht es ihm?", fragte Elessar auf dem Weg den Gang zu Dwaruschs Zimmer hinunter, seine Neugier nicht länger bezähmen könnend. "Den Umständen entsprechend gut. Ich weiß nicht, ob das ein gutes Zeichen ist, aber er hat bereits lautstark nach einem Krug schäumenden Biers verlangt", erwiderte Mensys, seine Augen zwinkerten vergnügt. Daraufhin lachte Elessar erleichtert. "Dann ist er schon wieder so gut wie gesund!"
Und tatsächlich, sie fanden den Zwerg am offenen Fenster seines Zimmers stehend, nur mit einem, an den Aufschlägen mehrmals umgekrempelten und zurechtgenähten Nachthemd bekleidet, finster in Richtung Osten starrend. "Ah, ihr kommt mir gerade recht!", ereiferte er sich, als er sich umgedreht und die beiden Männer erblickt hatte. "Wo ist meine Ausrüstung, verflucht noch mal? Irgendein windiger Affe hat mir meinen Streitkolben gestohlen!" Obwohl sein Ton voller Empörung war, deuteten die Runzeln um seine Augen auf ein geheimes Lächeln hin, das sich in seinem wild wuchernden Bart versteckte.

Elessar wandte sich an Mensys, wobei sein Gesicht bestrebt zu sein schien, sich in ein irres Grinsen zu verwandeln. "Wie ich sehe, hat er sich kein bisschen verändert. Könntet Ihr wohl einige Männer holen und ihn vom höchsten Turm der Festung hinunterwerfen?" Mensys zwinkerte listig und nahm den Faden auf. "Seid Ihr sicher, dass er nicht vom Erdboden abprallt? Zwerge gelten allgemein als äußerst dickköpfig und solch ein stures Exemplar wie dieses hier ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen." Dwarusch schnitt eine beleidigte Miene, während Mensys und Elessar prustend lachten. Nach einem Moment fiel der Zwerg mit seinem röhrenden Lachen ein und kurz darauf dröhnte lautes Gelächter durch die steinernen Gänge der Festung.
"Nun entschuldigt mich bitte, meine Freunde", sagte Mensys nachdem sich alle drei mehr oder weniger beruhigt hatten und das Gelächter zu einem unsteten Kichern geschrumpft war. "Ihr habt Euch sicherlich viel zu erzählen und ich muss nach dem Hohepriester sehen. Wenn Ihr etwas braucht, dieser Klingelzug benachrichtig einen der Novizen." Er verbeugte sich vor den beiden ungleichen Gefährten, welche diese Geste freundlich nickend erwiderteten, dann verließ er rasch das Zimmer.

"Ein netter Kerl", brach Dwarusch schließlich das unangenehme Schweigen, dass sich kurz nach dem Abschied des Klerikers auf den Raum herabgesenkt hatte. "Ja, Mensys ist wahrlich ein Schatz", entgegnete Elessar, sich unbehaglich fühlend und vorgebend, einen uralten Wandteppich zu mustern. "Ich werde nach einem dieser Nichtsnutze klingeln, ohne mein Kettenhemd fühle ich mich nackt", sagte Dwarusch und zog an dem Klingelzug. Irgendwo in der Festung ertönte ein dumpfes Dröhnen. "Und? Wer war dieser mysteriöse Ritter, der den Troll besiegt hat?", fragte der Zwerg seinen Gegenüber, als ob ihm dies gerade eben eingefallen wäre. Elessar wippte ungeduldig auf den Fußballen, während er seinen Blick nun auf die Landschaft draußen vor dem Fenster richtete. "Oh, das. Tja, weißt du, er ist eine Sie." "Ach?" Dwarusch wölbte eine Braue, zum ersten Mal den Elfen fixierend. "Ja, es ist erstaunlich, nicht wahr? Sie heißt Manya und soll eine der besten Aspirantinnen auf den Rang eines Ritters sein." 'Und sie ist wunderschön', fügte Elessar in der Stille seiner Gedanken hinzu.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Mit einem dumpfen *Wusch* und dem Geräusch von verdrängter Luft schwang der Streitkolben durch das Zimmer, geführt von Dwaruschs wiedererstarkter Hand. "Ahja, schon besser!", brummte der Zwerg zufrieden, seinen anerkennenden Blick auf den kunstvoll gefertigten Kopf der Waffe ruhend. "Was hast du denn?", fragte er unschuldig, als er aus dem Augenwinkel eine verräterische Bemerkung erspähte.
Der ängstlich in einer Ecke kauernde Elessar erhob sich langsam und vorsichtig, sich nur allmählich von den nervösen Zuckungen erholend, die ihn während Dwaruschs zur Schau gestellten Waffengang heimgesucht hatten. "Ach nichts!", entgegnete der Elf voller Sarkasmus. "Ich werde unverständlicherweise nur etwas nervös, wenn Leute in meiner Nähe damit anfangen, mit ihren Waffen herumzufuchteln und dabei keine Rücksicht auf Verluste nehmen." Er warf einen anklagenden Blick auf die zerstörte Kommode. Dwarusch betrachtete das Möbelstück kurz verdutzt (ihm war gar nicht aufgefallen, dass er etwas anderes als Luft zerschmettert hatte), dann winkte er jedoch gelangweilt ab. "Sei nicht so unhöflich, Elf!", brauste der Zwerg scheinbar empört auf. "Ohne eine Waffe in der Hand ist ein Zwerg kein ganzer Mann!"

Elessar wollte gerade darauf hinweisen, dass Dwarusch als Angehöriger einer Rasse, die einem durchschnittlichen Menschen gerade mal zur Hüfte reichte, nie ein "ganzer Mann" sein könnte, da wurde er von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. "Ja?", fragte Dwarusch. "Der ehrwürdige Mensys möchte Euch treffen, Ihr werdet im Zimmer des Hohepriesters erwartet.", tönte die krächzende Stimme eines pickligen Novizen durch die dicken Holzbohlen der Tür. "In Ordnung", brummte Dwarusch ungnädig, dann legte er den Streitkolben weg. "Mal sehen, was er jetzt wieder von uns will. Hoffentlich hat der Hohepriester eine Mahlzeit bereiten lassen, mein Magen knurrt wie ein ausgehungerter Bär. Hilf mir doch mal mit dem Kettenhemd..."
Kurze Zeit später verließen die beiden Gefährten die Festung und überquerten den großen Platz im Zentrum der Stadt, um den riesigen Tempel auf der anderen Seite zu betreten, wo sie vom Kämmerer des Hohepriesters auch gleich empfangen und zu dessen Tür geleitet wurden. Der junge Mann klopfte an, eine Stimme bat sie herein, dann traten Elf und Zwerg über die Schwelle...

Am Abend des gleichen Tages

"Aufwachen, Zwerg!" Die geringschätzige Ton in der Stimme wurde von einem harten Tritt in Dwaruschs Bauch begleitet. Der Zwerg stöhnte und krümmte sich zusammen, wodurch die Eisenketten klirrten, mit denen er an die Wand gefesselt war. "Wa..-?", hob Dwarusch verwundert an und versuchte sich verzweifelt auf die Beine zu kämpfen. Sein ganzer Körper schmerzte und er fühlte, dass der Bart auf seiner linken Wange mit irgendeiner breiigen Flüssigkeit verklebt war. Benommen blickte sich der Zwerg um, gerade rechtzeitig, um eine große Pranke auf sich zuzufliegen zu sehen. Es klatschte und heiße Pein durchflutete Dwarusch, als die Wunde auf seiner linken Wange erneut aufriss und mehr Blut in seinen Bart floss.
'"Er ist immer noch nicht ganz bei Bewusstsein, Eure Heiligkeit", sagte eine Stimme in fast entschuldigendem Ton. Unbewusst nahm Dwarusch wahr, dass es sich dabei um die gleiche Stimme handelte, die ihn eben so unsanft aufgeweckt hatte und die zweifellos zu dem brutalen Mann gehörte, der ihn geschlagen hatte. "Deshalb bin ich ja hier", entgegnete ein anderer Mann, dessen Stimme sehr leise und sanft war. Dwarusch glaubte, ihn kennen zu müssen. Sein Kopf schmerzte, als er sich zu erinnern versuchte, doch es blieb bei einem Versuch, denn als der Fremde ihn ein Fläschchen an die Lippen hielt und ihn zwang, davon zu trinken, tauchte Dwarusch in die wirbelnden Tiefen eines traumlosen Schlafes hinab.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Die Kälte war das Schlimmste. Elessar fröstelte in der dunklen Zelle, die Arme um seine Beine geschlungen und am ganzen Körper zitternd. Als Elf war er solche Temperaturen nicht gewöhnt. Wenigstens hatte man darauf verzichtet, ihn an die Wand zu ketten - die große Eisenkugel, welche mit einer kurzen Kette an seinem rechten Fußgelenk befestigt war, empfand er trotzdem als recht hinderlich.
Warum war er hier? Elessar stellte sich diese Frage immer und immer wieder, sie kreiste nun schon in seinen festgefahrenen Gedanken herum, seit er in der bedrückenden Stille der finsteren Zelle aufgewacht war. Er zermarterte sich das Hirn, dachte so angestrengt nach, dass es wehtat, doch fand er keine befriedigende Antwort auf seine Frage. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war wie er und Dwarusch die Tür zum Raum des Hohepriesters durchschritten, dann gar nichts mehr. Als nächstes war er hier in diesem beängstigenden Loch aufgewacht, dagelegen und gewartet, dass jemand kam, um nach ihm zu sehen.

Doch lange Zeit kam niemand und Elessar zuckte bei jedem Laut zusammen, egal ob das Quiecken einer Ratte oder das rauhe Rasseln der Kette, wenn sie über den steinernen Fußboden schabte. Endlich - Elessar wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war - ertönte ein Knarren und Schaben, als ein Schlüssel in das Schloss der schweren Holztür gesteckt wurde und charakteristische Geräusche kurz darauf den Anschein erweckten, dass mehrere Riegel weggeschoben wurden. Elessar dachte kurz daran, denjenigen, der die Zelle betrat, irgendwie zu überwältigen, doch einen Sekundenbruchteil schalt er sich später mit eben jenem ironischen Lächeln, das er normalerweise am liebsten in Dwaruschs Gegenwart aufsetzte. Plötzlich verspürte der Elf einen kurzen, scharfen Stich in seinem Herzen, als es sich vor Furcht zusammekrampfte. Wo war nur dieser kleine Mistkerl, dieser stumpfsinnige Zwerg? Elessar fürchtete um sein Wohl, denn sollte es sich herausstellen, dass er dieses ganze Debakel Dwarusch zu verdanken hatte, wollte er ihm mit eigenen Händen den Hals umdrehen.

Die Tür öffnete sich knarrend (wahrscheinlich verbrachten die Kerkermeister hier viel Zeit damit, die Türangel dahingehend zu präparieren) und ein schmaler Lichtstreifen fiel in die dunkle Zelle, erleuchtete den mit Binsen bedeckten Steinboden und verscheuchte zwei Ratten, die an einem menschlichen Knochen genagt hatten. Interessiert stellte Elessar fest, dass noch Fleisch daran hing.
"Psst...seid Ihr wach?", die geflüsterte Stimme klang so, als sei ihr Besitzer nicht daran gewöhnt, leise zu sprechen. Der Elf war ein wenig verwirrt. Seinen begrenzten Erfahrungen in puncto Gefängnissen zufolge war es recht ungewöhnlich, wenn ein Wächter solche Worte an einen Gefangenen richtete, außer er war besonders grausam und entgegnete darauf hin: "Gut, denn ich habe meine Lieblingspeitsche mitgebracht..."
"Ja", erwiderte Elessar risikofreudig, doch erschreckt über sein rauhes Flüstern brach er sofort ab und räusperte sich, dann versuchte er es erneut.

Eine große Gestalt huschte daraufhin durch den Spalt in der Tür und hob eine Fackel. Geblendet von dem Licht konnte Elessar nur erkennen, dass sie in einen stählernen Brustharnisch gekleidet war und ein mächtiges Schwert an ihrer Seite hing. "Ohje", seufzte eine für jeden anderen unhörbare Stimme in des Elfen Geist, die eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Dwaruschs hatte. Doch kaum hatte Elessar die Tränen weggeblinzelt, die ihm ob des plötzlichen Lichtscheins die Sicht verschleiert hatten, bekam er ganz große Augen. "Manya!", rief er erstaunt aus.
"Pscht, Narr!", donnerte die Ritterin. Ihr Gesicht wirkte noch um einiges strenger als zuvor und die Verachtung in ihrem Blick war offensichtlich. "Ich bin hier, um Euch zu befreien. Zwar glaube ich, dass es ein Fehler ist, aber Ihr seid vielleicht der einzige, der helfen kann, den Tod des Hohepriesters aufzuklären, deshalb..." Doch weiter kam sie nicht. "Tod?", fragte Elessar schockiert. Manyas nickte ihm grimmig zu. "Ihr und Euer Freund werdet angeklagt, den Hohepriester des Ordens der Rosentempel getötet zu haben."
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Hier, haltet das!" Elessar ächzte leise, als ihm Manya seine Ausrüstung mit einer groben Geste in den Bauch rammte. "Geht das auch ein wenig sanfter?", fragte er sie mürrisch, während er sich sein Kurzschwert umgürtete. Die Ritterin bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, dann wandte sie sich wieder um und spähte erneut in den Gang vor ihnen. Prüfend zog Elessar an der Sehne seines Bogens und stellte zufrieden fest, dass seine Lieblingswaffe noch zu gebrauchen war. Wie nett, dass die umsichtigen Wachen auch seinen Köcher mit Pfeilen hier in der Truhe im Wachraum verstaut hatten - abwesend tätschelte der Elf dem bewusstlosen Wächter, der zusammengesackt an der Wand saß, den Kopf. Der arme Kerl würde morgen schreckliche Kopfschmerzen und eine dicke Beule am Hinterkopf haben - der Knauf von Manyas Breitschwert, welches die Kriegerin als Knüppel missbraucht hatte, war tatsächlich so schwer, wie Elessar es nach einem Blick darauf vermutet hatte.

Die Stirn des Elfen umwölkte sich, als er nachdenklich den Rücken der schwarzhaarigen Schönheit betrachtete, die ihn aus dem Verließ gerettet hatte. Immer noch war ihm nicht ganz klar, warum sie ihn befreit hatte, denn ihre offensichtliche Treue zum Orden und der Priesterschaft hätte ein solches rebellisches Verhalten, wie sie es derzeit an den Tag legte, normalerweise nicht zugelassen. Ganz krank vor Neugier tippte der Elf ihr vorsichtig auf die, von einem Umhang himmelblauer Farbe bedeckte, Schulter. Gereizt drehte sich Manya um und betrachtete Elessar ärgerlich. Der elfische Frauenheld war ein wenig verunsichert, denn die Ritterin zeigte keinerlei Anzeichen der bezaubernden Verwirrtheit, die weibliche Wesen in Elessars Gesellschaft normalerweise befiel. Stirnrunzelnd schob er diese Gedanken beiseite, es gab jetzt wirklich wichtigeres, um das er sich kümmern musste. Zum Beispiel die Anschuldigungen, dass er und Dwarusch den Hohepriester getötet hätten, was natürlich völlig absurd war! Oder...?

"Ihr habt mir immer noch nicht erklärt, warum Ihr mir helft", beschuldigte Elessar die Ritterin, welche ihn daraufhin erneut mit einem strengen Blick maß. "Und ob ich das getan habe", behauptete sie. "Ihr seid vielleicht der Einzige, der die wahren Umstände des Todes des Hohepriesters aufklären kann - wenn er denn wirklich gestorben ist." Elessars Augen weiteten sich vor Überraschung. "Was denn, ist man sich nicht sicher? Ich dachte immer, es gebe da gewisse untrügliche Anzeichen für das Ableben eines Menschen - zum Beispiel eine heftige Antipathie gegen jedwede Bewegung oder eine auffällige Blässe. Oder vielleicht auch nur mehrere Liter Blut, die den Körper leise gluckernd verlassen." Elessar rollte hilflos mit den Augen, seit einiger Zeit schienen alle seine Worte einen zynischen Touch zu bekommen, ob er es wollte oder nicht. Manya verzichtete jedoch auf eine Rüge ob des bissigen Tons des Elfens, sondern antwortete nur: "Man hat die Leiche nicht gefunden. Angeblich habt Ihr sie verschwinden lassen." "Und wie?" "Man sagt, Ihr seid ein großer Hexenmeister..."
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Macht den Mund zu, Elf! Es zieht!" Die Andeutung eines Lächelns schien auf Manyas Gesicht zu erscheinen, doch als sie einen schnellen Blick in den Gang vor ihnen warf und sich wieder umwandte, war jede Erinnerung daran fortgewischt. Fassungslos klappte Elessar den Mund zu, während ihm das Lachen, das er ob der Unhaltbarkeit der Aussage, welche die Ritterin eben gemacht hatte, eigentlich hatte ausstoßen wollen, im Hals stecken blieb. "Das ist ein Scherz, oder?", fragte er mit rauher Stimme. "Nein", antwortete sie kurz. "Aber...aber...ich kann es einfach nicht fassen!" Elessar fehlten die Worte und er warf die Arme hilflos in die Luft. "Macht nicht solch einen Krach!", fuhr ihn Manya an. "Im Übrigen konnte ich es auch nicht fassen und seitdem ich diese Botschaft erhalten habe, zweifle ich diese Theorie stark an." "Botschaft?", fragte Elessar einsilbig, nur um nicht den Anschluss zu verlieren. Die Ritterin nickte, dann kramte sie in einer Innentasche ihres Umhangs und überreichte dem Elfen einen mehrmals gefalteten Zettel. Mit zittrigen Händen entfaltete dieser den Brief und las folgendes:

Der, welcher verschwunden, noch lebt. In der Tiefe, unter der Erde. Der spitzohrige wird helfen.

"Hmm, das erklärt einiges", brummte Elessar, als er die wenigen Worte auf dem Fetzen Papier studiert hatte. "Achja? Was denn zum Beispiel?" "Nun, einerseits wird mir nun klar, warum Ihr mich befreit habt und zudem löst es das Rätsel um den verschwundenen Hohepriester. Zwar wirkt die Wortwahl etwas deplaziert, aber es kann kein Zweifel an dem Sinn bestehen. Wisst Ihr, wer Euch das geschickt hat?" "Nein", entgegnete Manya und nahm die Botschaft wieder an sich. "Ich fand es auf meinem Nachtschrank. Und nun kommt, wir müssen uns auf die Suche machen!" "Aber wo?", fragte Elessar mit einer Spur Verzweiflung in der Stimme. "Es gibt alte Katakomben noch unter der Kanalisation und den Verließen. Doch um dorthin zu gelangen, müssen wir erst in die Stadt und nach einem Eingang suchen." "Ich hoffe, es ist da draußen wenigstens dunkel", brummte Elessar, während er die Kapuze seines dunkelgrünen Umhangs aufsetzte und der Ritterin folgte, die auf leisen Sohlen mit der Behutsamkeit eines Diebes durch die Gänge schlich.

"Ich wusste gar nicht, dass Ritter auch mal einen Feind vorbeiziehen lassen und sich unauffällig verhalten können. Ich dachte immer, die Templer wären alle wie Dwarusch: Mit dem Kopf voran stürmen und wo immer man auch ist, den Kampf suchen" Manya bedachte Elessar mit einem seltsamen Blick, während die beiden in einem Seiteneingang der Feste kauerten und darauf warteten, dass die patroullierende Wache vorbeizog. Die beiden Monde am Himmel sandten ein silbriges Licht hinab, welches weich auf dem Brustpanzer der Ritterin schimmerte. "Nunja, die meisten sind so, wie Ihr es beschrieben habt", schränkte sie flüsternd ein. "Allerdings gibt es auch Situationen, in denen Lautlosigkeit und verdecktes Vorgehen Trumpf sind. Dafür wurde ich ausgebildet. Und jetzt kommt" Sie deutete auf den Platz vor ihnen und Elessar erkannte, dass die Wache endlich ihre Runde beendet hatte und sich nun einer anderen Stelle zuwandte. Geduckt hasteten sie über den Hof, sich im Schatten der an den Mauern stehenden Gebäuden haltend und jede Deckung ausnutzend, die sich ihnen bot.

"Es wäre von Vorteil, wenn Ihr aus dieser Stahlkonserve herauskommt", meinte Elessar leichthin, als sie auf den richtigen Augenblick warteten, um weiterzuhasten. Manya blickte ihn verständnislos und mit einer Spur Argwohn an. "Ihr quietscht, meine Dame", erklärte sich Elessar und grinste breit. Endlich glomm Verstehen in Manyas Augen auf und mit fast bedauernder Miene löste sie die sechs Riemen, die an strategischen Stellen den Brustpanzer festhielten. Elessar konnte seine Neugier kaum verbergen, es interessierte ihn zu sehr, was ein Ritter (oder besser gesagt: eine Ritterin) unter einem solchen Stahlmonstrum trug. Einen Augenblick herrschte entsetzte Stille, als Manya ihren Plattenpanzer behutsam auf den Boden legte und mit einer Plane bedeckte, dann fand der Elf endlich seine Stimme wieder. "Ihr tragt ein Kettenhemd unter diesem Ungetüm?", fragte er fassungslos. Manya hob eine Augenbraue, deutliches Anzeichen ihres Missfallens. "Natürlich, oder glaubt Ihr, ich bin darunter nackt, wie eine dieser wilden Amazonenkriegerinnen, die wahrscheinlich Euren Geist bei meinem Anblick heimsuchen?"
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Elessar war überrascht, dass sie auf dem Weg in die äußere Stadt nicht angehalten wurden - seinem persönlichen Empfinden nach musste sein Kopf auf die Größe einer Melone angeschwollen und von solch intensiv roter Farbe sein, dass er im Dunkeln leuchtete und weithin sichtbar war. Der Elf fand, dass Manya ruhig einige weniger direkte Worte hätte wählen können. Jedenfalls hatte die Ritterin es faustdick hinter den Ohren. Elessar war noch immer etwas verwundert über den Umstand, dass sie möglicherweise ihre Zukunft im Orden aufs Spiel setzte, indem sie ihm half. Ob sie ihn wohl mochte? Schnell vertrieb der Elf diesen Gedanken wieder. Er brauchte sich nur an die wenigen Gespräche zu erinnern, die sie bisher miteinander geführt hatten - wenn er Manyas bisheriges Verhalten ihm gegenüber betrachtete, schien Hoffnung auf jedwede Art einer romantischen Beziehung vollkommen irrational und absurd zu sein. Im Vergleich war die Wahrscheinlichkeit, dass die Ritterin ihm den Kopf abschlug, bei weitem größer. Elessar überlegte einen Moment, während er darauf wartete, dass Manya ihm von der nächsten Straßenecke aus grünes Licht gab. Eigentlich war die Wahrscheinlichkeit für eine baldige Enthauptung sehr hoch...

Es platsche laut in der Dunkelheit. "Urgs! Was ist das denn für ein widerlicher Gestank?!" Elessar rümpfte demonstrativ sein elfenbeingleiches Näschen, obwohl Manya das in der Dunkelheit wohl kaum zu sehen vermochte. Der Elf kniff die Augen zusammen und blinzelte heftig, als eine Fackel entzündet wurde. Kurz darauf konnte Elessar in dem flackernden Licht die Umrisse eines Tunnels erkennen. "Müssen wir denn unbedingt durch die Kanäle?", fragte er in einem fast flehenden Tonfall Manya, welche den Sitz ihres Schwertes überprüfte. "Ja", antwortete sie einsilbig und setzte sich bereits in Bewegung, kaum dass das Wort ausgesprochen war. Elessar betrachtete einen Moment zutiefst betrübt das Licht der Fackel, das vor ihm auf und ab tanzte und sich immer mehr entfernte, dann wanderte sein Blick zu der ekelerregenden Brühe, in der er stand und den Ratten, die zu beiden Seiten des Tunnels herumwuselten. "He, wartet!", rief er der Ritterin hinterher, dann folgte er ihr hastig, wobei er auf so wenig quieckende Leiber wie möglich zu treten versuchte.

"Dürfte ich vielleicht erfahren, wieso sich eine zukünftige Ritterin der Templer der Rose so verdammt gut in diesem stinkenden Loch auskennt, das die Einwohner dieser Stadt Kanalisation schimpfen?" Dwarusch hätte Elessar jetzt bestimmt einen anerkennenden Seitenblick geschenkt, denn der tropfnasse Elf fluchte wie ein Zwerg nach dem sechzehnten Bier. Manya blickte nicht von ihrer Arbeit auf, die darin bestand, eine schwere Bodenplatte vom Grund des Tunnels emporzustemmen. "Ich hatte eine illustre Kindheit", murmelte sie, dann spannte sie ihre Muskeln an und mit einem außerordentlichen Kraftakt hob sie die Platte empor und ließ sie auf den steinernen Tunnelboden fallen. Nun, da die Abdeckung verschwunden war, konnte Elessar den Blick auf eine schwarze Öffnung werfen, die offensichtlich ein schmaler Schacht zu sein schien. Verrostete Leitersprossen ragten aus einer Wand hervor und ein entsetzlicher Gestank wehte von unten herauf. "Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich diesen engen, stinkenden und wahrscheinlich mit zahllosen Gefahren bestückten Schacht auf einer Reihe halb verrosteter, glitschiger Leitersprossen hinunterklettere??"
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Ich klettere also tatsächlich einen engen, stinkenden und wahrscheinlich mit zahllosen Gefahren bestückten Schacht auf einer Reihe halb verrosteter, glitschiger Leitersprossen hinunter...ich bin ein größerer Narr, als ich dachte." "Wie wäre es, wenn Ihr zur Abwechslung einmal den Mund halten könntet, Elf?" Manyas Stimme klang halb verärgert und halb amüsiert. "Verzeiht, werte Ritterin, ich bin nur ein einfacher Waldläufer, der allein in der Welt herumzieht. In der Gesellschaft schöner Frauen kann ich einfach nicht an mich halten und mein großes Mundwerk zum Schweigen bringen", entgegnete Elessar in beißendem Tonfall.
Eine Weile stiegen die beiden schweigend hinab, dann fragte Elessar zum bestimmt zwanzigsten Mal: "Wie weit ist es noch?" Manya seufzte, bevor sie antwortete. "Woher soll ich das wissen? Ich gebe Euch Bescheid, wenn meine Füße festen Boden berühren, denn einen anderen Hinweis darauf, dass wir die unteren Ebenen erreicht haben, werden wir nicht finden." "Was haltet Ihr davon, dort unten eine ewige Kerze aufzustellen? Dann müssen zukünftige Wanderer nicht stundenlang in vollkommener Schwärze eine mehr als unsichere Leiter hinunterklettern." "Keine Sorge, ich werde Euch nicht aufhalten, wenn Ihr springen wollt, Elf. Das ist sicher der schnellste Weg nach unten..."

"Igit! Hier stinkt es ja noch widerlicher als in den Kanälen!" Elessar wedelte mit einer Hand energisch vor seinem Gesicht herum. "Das ist der Schwefel, der von den heißen Quellen aufsteigt. Es heißt, unter der Stadt ruht ein verloschener Vulkan." "Wie beruhigend", kommentierte Elessar ironisch. "Eure Stadtväter waren wohl sehr risikofreudig, was?" Manya entgegnete nichts darauf, sondern schaute sich im Licht der einzelnen Fackel in der Mischung aus aus Stein erbauten Tunneln und natürlichen Höhlen um. "Hier sind Fußspuren", sagte sie leise, wie zu sich selbst. "Na wunderbar. Wahrscheinlich von irgendwelchen Verrückten, die gerne ein heißes Bad nehmen wollten..." Die Ritterin brummte etwas Unverständliches, dann setzte sie sich in Bewegung. "Ach, lasst das!", meinte Elessar gereizt, als er sah, wie sich Manya über die Abdrücke im Schleim bückte. "Zufälligerweise sind wir Elfen die besten Fährtenleser der ganzen Welt. Gebt mir die Fackel!" Und so tauchte das ungleiche Paar tiefer in die Dunkelheit ein, nur begleitet von einem regelmäßigen Platschen, wenn ihre Füße in den Schlamm eintauchten und daraufhin mit einem saugenden Geräusch wieder herausgehoben wurden.

"Nun, Herr Spurenleser - was jetzt?", fragte Manya in aufreizendem und äußerst selbstgefälligem Ton. "Die Fußabdrücke sind verwischt worden!", beschwerte sich Elessar. Die Ritterin seufzte schwer. "Ich wusste es ja, Ihr habt Euch verirrt! Soviel zur vielgerühmten Geschicklichkeit der Elfen!" "Ach, haltet die Klappe!", brummte der Elf gereizt. Mehr und mehr kam Elessar zu dem Schluss, dass Manya trotz ihrer atemberaubenden Figur kein guter Partner für eine Beziehung wäre.
"Ich glaube, wir müssen hier entlang", meinte er und deutete zweifelnd in eine Richtung. "Da kommen wir doch gerade eben her!", protestiere Manya. Das war zuviel für Elessar. "Hört zu, ich weiß sehr wohl wie man eine Spur deutet und hier..." "Pscht, seid still!", unterbrach ihn Manya grob und legte einen Finger auf die Lippen. "Von Euch lasse ich mir gar nichts befehlen!", begehrte Elessar auf. "Hört Ihr es denn nicht?", fragte Manya wütend. Der Elf lauschte.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

Es war ein langsamer, in seiner Geschwindigkeit sich aber stetig beschleunigender Gesang, der da durch die uralten Gewölbe hallte. Elessar war sich ob des Echos, welches von den nackten Felswänden mit schöner Regelmäßigkeit zurückgeworfen wurde, nicht ganz sicher, ob es sich bei dem Sänger um einen einzelne Person oder einen ganzen Chor geistig verwirrter Gesangsbuben handelte, die ihre Übungen aus dem Amphitheater der Stadt in diese wenig ansprechenden, übelriechenden unterirdischen Gänge verlegt hatten.
"Hier lang!", befahl der Elf nach einer kurzen akustischen Orientierung, an deren Ende die überlegenden Ohren Elessars (deren Effektivität übrigens keineswegs etwas mit ihrer Spitzheit zu tun hat - das war einfach nur ein wenig subtiler Scherz des Schöpfers) die Richtung ausgemacht hatten, aus der die, an diesem Ort zumindest leichte Aufmerksamkeit erregende Töne erschallten. Souverän führte der Elf Manya tiefer in die unterirdischen Gänge Ulsanys.

"Klingt nicht so, als ob der Sänger etwas von Musik verstünde", bemerkte Manya geringschätzig, als sie zusammen mit dem Elfen in einer Felsspalte kauerten und dem Gesang lauschten, der von dem Loch in der Wand heraufschallte. "Ob er wohl etwas gegen einige Gesangsstunden einzuwenden hätte? Ich bin auf diesem Gebiet selbst nicht ganz unbedarft..." Elessar musterte die Ritterin misstrauisch, nach seiner Einschätzung schien sie durchaus dazu fähig, eine gewichtige Ballade in dieser prekären Situation zu schmettern. Kopfschüttelnd stellte er fest, dass sie bereits tief Luft geholt hatte. Mit einem Knuff in die Seite hinderte er Manya daran, ihren Beitrag zur allgemeinen Klangatmosphäre abzugeben - und rieb sich gleich darauf leise fluchend den Ellenbogen, als sein Knochen Bekanntschaft mit dem Kettenhemd der Ritterin machte. Brummelnd arbeitete Elessar sich weiter vor und versuchte einen Blick zur Quelle der Arie zu erhaschen. Inzwischen war deutlich geworden, dass mehrere Menschen das das Blut zur hastigeren Zirkulation bewegende Lied anstimmten und der Elf war gespannt, was er sehen würde.

Es genügte nicht von "groß" zu sprechen. Die Höhle war riesig. Gigantisch. Elessar blieb unwillkürlich der Mund offen stehen, als er durch das kleine Lock im Boden hinunter blinzelte. Der Elf hatte keine Ahnung von Bergbau und war mit Höhlen nicht sonderlich vertraut, deshalb konnte er einfach nicht begreifen, wie eine Kaverne mit solchen beeindruckenden Ausmaßen entstanden sein konnte. Dwarusch hätte es ihm sicher sagen können. Elessar verspürte einen Stich bei diesem Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das, was er von seiner erhöten Aussichtsplattform aus sehen konnte.
Fast direkt uner ihm, in der Mitte der Höhle stand ein Dutzend in schwarze Gewänder gehüllte Gestalten in einem Kreis um ein auf den Boden gezeichnetes Pentagramm herum. Elessar hatte noch nie verstehen können, was für eine Anziehungskraft Wachsmalstifte auf erwachsene Menschen ausübten. In dem abgeschlossenen Bereich des Pentagramms war nichts. Nun, das stimmte nicht ganz. Ganz sicher war Etwas dort und Elessar hatte den Eindruck, dass ein kaum sichtbarer Hitzeschleier über dem Boden schwebte, doch selbst seine Elfenaugen konnten nichts genaues erkennen.

Etwas abseits war ein primitives Kreuz aufgestellt, kaum mehr als zwei Balken und an diesem hing, mit Lederbändern daran festgebunden, der Hohepriester des Ordens der Rosentempler. Elessar erkannte ihn auf den ersten Blick, selbst aus solch luftiger Höhe. Seine Verfassung hatte sich seit ihrer letzten Begegnung nicht unbedingt verbessert. Seine weiße Robe hing ihm in Fetzen am Körper und sein Gesicht wirkte eingefallen. Elessar konnte nicht sagen, ob er bei Bewusstsein war, doch seine Brust hob und sank in unregelmäßigen, flatternden Atemzügen. Neben ihm stand eine weitere vermummte Gestalt und ein Aufblitzen von Stahl in ihrer rechten Hand ließ auf einen Dolch schließen, der wohl in Bälde zu wenig appetitlichen Zwecken missbraucht werden sollte. Angewidert verließ Elessar seinen Beobachtungsposten und krabbelte zu Manya zurück, welcher er sogleich alles brühwarm erzählte. Es war nicht viel Beratung notwendig, auf dass die beiden zu einem Schluss kamen: Der Hohepriester musste gerettet und diese Dämonenanbeter zerschlagen werden.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Ich bin...beileibe kein...Gegner von...Treppenstufen, aber...hier wäre...vielleicht...eine...Rutschbahn...angebracht!" Elessar schnaufte und setzte seinen Weg über die ausgetretenen Stufen, die in einer Spirale immer tiefer in die Erde führten, fort, während Manya hinter ihm bei jedem hastigen Schritt klirrte und klapperte. Sie liefen jetzt bestimmt schon fünf Minuten und noch immer war kein Ende der laaangen Treppenflucht in Sicht. Langsam bezweifelte Elessar, ob sie überhaupt noch etwas ausrichten würden können, wenn sie endlich das Ende und damit die Höhle erreichten, die er von oben betrachtet hatten. Vermutlich mussten die beiden erst einmal eine mehrmüntige Verschnaufpause einlegen, bevor sie die riesige Kaverne betraten oder aber sie würden hineinstolpern und nicht einmal im Stande sein, ihre Waffen zu heben, geschweige denn zu Kämpfen, denn auf ein Gefecht schien es unweigerlich hinauszulaufen. Kalte Wut erfüllte den Elf, als er an das Bild zurückdachte, das ihm sich von seinem erhöhten Punkt aus geboten hatte, und voller Grimm über die Taten dieser vermummten Gestalten beschleunigte er sein Tempo und raste geradewegs die Treppen hinunter.

"Oh großer Herr der Hölle, nimm unser Opfer an, auf dass du uns als deine Diener akzeptierst und uns für deine Befreiung belohnst!" Die Stimme der dreizehnten Gestalt, welche dicht neben dem gefesselten Hohepriester stand, schrie diese Worte hinaus und die gebogenen Wände der Kaverne warfen sie hin und her, sodass ein ausnehmend beeindruckender akustischer Effekt entstand. Der Vermummte fasste sein bösartig aussehendes Opfermesser mit beiden Händen und hob es hoch über den Kopf, dann ließ er es in Richtung des hohepriesterlichen Herzens vorschnellen. Ein Pfeifen erfüllte die Luft und ein dumpfer Aufprall warf den Eiferer zurück. Er ließ sein Messer fallen und starrte voller Entsetzen auf den armlangen Pfeil, der seine rechte Hand durchbohrt hatte.
"Was für ein gemütliches Beisammensein!", rief Elessar fröhlich vom Eingang der Höhle her, den Bogen nachlässig in Händen haltend. "Warum habt ihr uns denn nicht eingeladen?"

Der Kampf war schnell vorrüber. Manya stürmte mit gezogenen Breitschwert vor, doch noch bevor sie die Anhänger dieses mysteriösen Kults erreichte, hatte der Elf schon die Hälfte mit seinen unfehlbaren Pfeilen niedergemäht. Aus Solidarität ließ er aber noch einige für die Ritterin übrig, welche mit den unbewaffneten Kuttenmännern keine Probleme hatte. Es bedurfte nur einiger starker Hiebe und schon war der Boden blutgetränkt und mit Leichen übersät.
"Keine große Herausforderung", brummte Manya geringschätzig, während sie ihre Klinge an der Kutte eines Getöteten abwischte. "Ja", stimmte Elessar ihr zu, als er den Kampfschauplatz erreichte. "Die haben wohl nicht damit gerechnet, dass sie hier in der Tiefe Gesellschaft bekommen würden." "Vorsicht!", rief Manya plötzlich und deutete über des Elfen Schulter hinweg. Doch es war bereits zu spät. Demjenigen Kuttenträger, welchen Elessar mit seinem Pfeil die Hand durchbohrt hatte, war es irgendwie gelungen sich aufzurichten und sich mit dem Dolch in der linken Hand auf den wehrlosen Hohepriester zu stürzen.

Ein kurzer Schrei erklang, als sich Elessars Pfeil direkt zwischen die Schulterblätter des Verhüllten bohrte und er sackte zusammen. Doch in der Brust des Hohepriesters steckte der gezackte Opferdolch und man konnte förmlich sehen, wie das Leben aus dem alten Mann floss. Manya schrie auf und rannte hinüber, doch ein gebrüllter Befehl ließ sie innehalten. Aus dem Eingang der Höhle quollen bestimmt zwanzig bestens gerüstete Wachen mit dem Wappenrock der Rosentempler. "Werft Eure Waffen weg!", bellte ein Mann, welcher eine in Gold eingelegte Rüstung trug; offenbar ein Offizier. Aufgrund der Armbrustschützen, die mit angelegten Waffen am Eingang knieten entschied sich Elessar dafür, das Angebot anzunehmen und kurz befanden sich Ritterin und Elf gefesselt in der Mitte der Truppe, während der Wachoffizier die Leiche des Hohepriesters betrachtete. "Holt eine Bahre und nehmt ihn mit", wie er zwei seiner Soldaten an, dann wandte er sich an Manya und Elessar. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch seine erloschenen Augen verrieten ihn. Mit vor Trauer erstickter Stimme sagte er: "Morgen werdet ihr und der Zwerg dem Tribunal vorgeführt und es wird über euer Schicksal entscheiden. Betet zu den Göttern, denn nur der Tod kann das sühnen, was ihr getan habt."
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"So trifft man sich wieder, was?" Elessars Stimme hatte den naiv-freudigen Ton angenommen, der seinen Gefährten stets so reizte. "Ja", antwortete Dwarusch einsilbig, während er überlegte, ob er genügend Zeit hätte, den Elfen mit den Ketten an seinen Händen zu erdrosseln, bevor die Wachen ihn davon abhalten würden. "Nicht reden!", donnerte eine der Wachen und schubste den Zwerg an, was dieser mit einem gemurmelten Fluch kommentierte.
Unauffällig sah sich Elessar um (wobei er nicht verhindern konnte, dass die Ketten an Händen und Füßen klirrten) und betrachtete den großen Saal, in den sie geführt worden waren. Soweit der Elf richtig verstanden hatte, befand er sich im Erdgeschoss der mächtigen Festung in der Mitte der Stadt und wurde ausschließlich für Gerichtsverhandlungen benutzt. Elessar spürte die Präsenz der gut hundert Bürger, die hinter ihm und seinen zwei "Mittätern" auf vielen Bänken saßen und er war sich auch der bösen Blicke bewusst, die auf sie gerichtet waren, denn die kalte Wut, die in diesen mitschwang, prickelte auf seiner Haut. Plötzlich war Elessar froh, dass alle Zuschauer am Eingang ihre Waffen abgeben mussten.

Die drei Angeklagten saßen natürlich vor den Zuschauerbänken und wurden von zwei Wächtern auf jeder Seite flankiert. Rechterhand befand sich eine große Fensterfront, vor der ein langgezogener Tisch stand, an dem acht Würdenträger der Stadt saßen, sowohl Frauen als auch Männer. Ihre Mienen waren bar jedes Gefühls, offenbar waren sie zur Objektivität verpflichtet. Auf der anderen Seite saßen mehrere Bewohner der Stadt, die offensichtlich als Zeugen dienen sollten. Elessar erkannte Mensys, der einen verzweifelten Eindruck machte, den Kämmerer des Hohepriesters und einige andere Menschen.
Fast unweigerlich wurde Elessars Blick jedoch auf das hohe Podium mit den drei aneinandergeschobenen, doch leicht versetzt stehenden, Tischen, die derzeit noch leer waren. Jeden Augenblick würde das Tribunal den Raum betreten und die Verhandlung beginnen. Ein Wächter trat aus einer Tür am Ende des Saals und bestätigte des Elfen Vermutung, als er Haltung annahm und rief: "Bürger Ulsanys, verehrte Schiedsmänner und Zeugen - erhebt Euch für das Tribunal!"

Ausnahmslos jeder im Saal erhob sich von seinem Platz, als die Worte verklangen. Elessar hätte gerne einen trockenen Kommentar dazu abgegeben, dass er und seine Gefährten schon die ganze Zeit standen und, wenn er das auffällige Fehlen von Stühlen in der Umgebung richtig deutete, auch den Rest der Verhandlung stehend hinter sich bringen würden. Doch anstatt weiter über diese Ungerechtigkeit nachzugrübeln (Dwarusch hatte immerhin einen Hocker, auf dem er stehen konnte), betrachtete der Elf die drei Personen, die nun den Saal betraten. Alle drei trugen die Wappenröcke des Ordens, doch der Umhang, der von ihren Schultern nach unten reichte, unterschied sich je nach Rang. Der erste, Lord Grimsworth, wie man die "Angeklagten" vor der Verhandlung informiert hatte, war ein alter Mann mit weißem Haupthaar und Bart, der sich beim Gehen auf einen schön geschnitzten Gehstock stützte. Eine Aura der Würde und Weisheit umgab ihn und der Saum seines Umhangs war mit gold eingelegt und von hellblauer Farbe. Das nächste Mitglied des Tribunals hätte nicht unterschiedlicher sein können. Ein junger Mann, kaum älter als zwanzig Menschenjahre und mit gutaussehenden Gesichtszügen. Lord Urmat hätte verschmitzt und fröhlich gewirkt, wäre da nicht der Ausdruck der Trauer in seinem Gesicht, der von dem Tod des Hohepriesters stammte. Er trug ein Schwert an der Seite und sein Umhang war von blutroter Farbe mit einem aufgestickten Löwen in der Mitte.

Doch am auffälligsten war ohne Zweifel Tribunalmitglied Nummer drei. Lady Feyel war groß, größer als viele Männer und an ihrem Rückgrat hätte man ein Lineal anlegen können. Mit durchgedrücktem Kreuz und hoch erhobenen Kopf schritt sie dahin, ihr smaragdgrüner Umhang wallte hinter ihr her und ihre in grün-schwarzen Handschuhen aus gehärtetem Leder steckenden Hände waren zu Fäusten geballt. Ihr schwarzes Haar war zu einem strengen Zopf gebunden, allein eine einzige graue Strähne steckte nicht in dem silbernen Metallring, der ihre Haare zusammenhielt. Offensichtlich war Lady Feyel stolz auf ihr Alter und sie trug die wenigen Falten in ihrem Gesicht mit Würde.
Als alle drei Mitglieder des Tribunals ihre Plätze eingenommen hatten (Grimsworth in der Mitte mit Urmat zur Rechten und Feyel auf der linken Seite), setzten sich auch alle anderen Anwesenden - außer den Wachen und den Angeklagten. Ein Herold trat vor und entrollte ein Pergament, woraufhin er damit begann, die Anklageschrift herunterzuleiern. Stumm legte Elessar Dwarusch eine Hand auf die bebende Schulter, als Worte wie "Mord", "hinterhältig" und "Verräter" durch den Raum hallten.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Ruhe im Gerichtssaal!" Lord Grimsworth hob mit gebrechlich wirkender Hand den schweren Hammer aus massivem Holz, der vor ihm auf dem Tisch lag und ließ ihn dreimal auf den hölzernen Hocker niederfahren, wobei jedes Mal ein dumpfes, alle anderen Geräusche unterbindendes Pochen erklang. Dwarusch war ein wenig verwundert, dass sich die sonst so disziplinierten Rosentempler hatten hinreißen lassen, doch vielleicht bläute einem der Dienst an der Grenze diese Disziplin ein, hier in der Hauptstadt hatte man wohl schon länger keiner ernsten Gefahr mehr ins Auge gesehen. Dennoch, der Tumult, der nach den ersten Zeugenaussagen ausbrach, war erschreckend. Nach den Aussagen des Kämmerers und der Diener, die Dwarusch und seinen elfischen Gefährten bedient hatten, hatte sich der Verdacht des Mordes stark erhärtet, denn alles schien bestens zusammenzupassen. Zusätzliche Wachen strömten in den Saal und setzten ihre mit Stahl gepanzerten Körper dazu ein, die Menge wieder zu beruhigen.

"Ich rufe Manya, Anwärterin auf den Ritterorden in den Zeugenstand." Lady Feyels Stimme war so hart und unnachgiebig wie ihre ganze Erscheinung. Nachdem die Ritterin vereidigt worden war, bohrten sich die Augen des Tribunalsmitglieds in die Manyas. "Manya, habt Ihr dem Elfenwaldläufer Elessar zur Flucht verholfen?" "Ja", antwortete die Ritterin tapfer. "Habt Ihr einen tätlichen Angriff auf eine Wächter im Dienst begangen, der den Gefangenen bewachte?" "Ja..."
Während das Verhör weiterging und Lady Feyel erbarmungslos all die Verfehlungen, die Manya auf sich geladen hatte, aufzählte, verfluchte Dwarusch einmal mehr den Umstand, dass die Rosentempler nicht viel von Anwälten hielten. Waren die Angeklagten nicht gerade stumm oder wahnsinnig, wurde ihnen kein Verteidiger zur Seite gestellt. Doch wenn Dwarusch näher darüber nachdachte, glaubte er, dass man in Ulsany wohl kaum einen Mensch hätte finden können, der nicht ob der Trauer über den Verlust des Hohepriesters mit Vorurteilen beladen war. Jedenfalls keinen redlichen.

"Läuft nicht sehr gut, was?", flüsterte Elessar, während die drei in einem gut bewachten Raum abseits des Gerichtsaals warteten und dem Zeitpunkt entgegenfieberten, da das Tribunal seine Entscheidung gefällt hatte. Dwarusch verzichtete auf eine Antwort. Es sah wirklich nicht gut aus. Der Hauptmann des Trupps, der Manya und Elessar in den Katakomben aufgespürt hatte, hatte zugegeben, dass er es für unwahrscheinlich hielt, dass einer der beiden das Messer in den Leib des Hohepriesters gebohrt hatte, denn dafür standen sie zu weit entfernt und das Gemetzel unter den Kultisten, die man in der Stadt als durchaus anständige Bürger gekannt hatte, sprach theoretisch für sie. Doch der Umstand, dass man sie blutbespritzt im Gemach des Hohepriesters gefunden hatte und dass Manya einen Häftling befreit hatte, wogen schwer. Auch Dwaruschs flammende Rede, in der bei seinem heiligen Eid, den er abgelegt hatte, als er zu den Rosentemplern gekommen war, schwor, dass sie den Hohepriester nicht wissentlich ermordet hätten, war wohl eher auf taube Ohren gestoßen. Allein die Tatsache, dass sie sich nicht an die Geschehnisse im Tempel erinnern konnten, sprach gegen sie.

"Erhebt Euch, Bürger Ulsanys, verehrte Schiedsmänner und Zeugen. Hört die Weisheit und das Urteil des Tribunals!" Lord Grimsworth räsuperte sich, dann begann er in schicksalsschwerem Tonfall zu sprechen. "Nach ausgiebiger Beratung und Diskussion und dem nochmaligen Durchgehen aller Beweise sind die Schiedsmänner und wir, die drei, welche für diesen Zweck bestimmt wurden, zu folgendem Urteil überein gekommen: Die Anwärterin Manya wird wegen der Missachtung direkter Befehle und der Ehrlosigkeit ihres Tuns verbannt. Ohne Kleider und Rüstung, nur in Lumpen gehüllt, soll sie aus der Stadt gejagt werden und niemals wieder einen Fuß hinein setzen. Der Zwerg Dwarusch wird für den Rest seines Lebens im tiefsten Kerker der Zitadelle sein Dasein fristen, während sein Gefährte, der Elf Elessar noch morgen auf dem großen Platz hingerichtet werden soll, denn wir sind der Meinung, dass er ein böser Hexer ist und das reinigende Feuer der Inquisition erfahren soll."

Dwarusch war wie betäubt, seine Eingeweide fühlten sich an, als wären sie zu Eis erstarrt. Mit seinerner Miene schweifte sein Blick über die Schiedsmänner und das Tribunal, dann weiter zu den Zeugen. Er blickte Mensys an, dem die Trauer ins Gesicht geschrieben stand. Doch war da nicht ein Funkeln in seinen Augen, ein thriumphierendes Glitzern? Der heilige Mann formite ein Wort mit den Lippen und Dwarusch versuchte angestrengt es zu erkennen... "Jetzt!"
Der Zwerg fühlte sich mit einem Mal seltsam leicht und alle Sorgen schienen von ihm abzufallen. Ebenso wie die Ketten, deren Verschlüsse plötzlich aufsprangen, doch das verlor sich in dem grimmigen Jubel, der nach der Urteilsverkündung im Publikum aufbrandete. Dwarusch blickte zu dem Wächter hoch, der neben ihm stand und das breite Schwert an seinem Gürtel schien ihm zuzuzwinkern. Sein Ellenbogen fand die empfindliche Stelle des Mannes und als er sich noch zusammenkrümmte, zog Dwarusch bereits die schön gearbeitete Klinge aus ihrer Scheide.

Das Ziel lag klar und deutlich vor ihm und mit mechanischer Stupidität stubste er den zusammengekrümmten Wächter aus dem Weg um dann zum Podest zu schreiten, auf dem das Tribunal saß. Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass Elessar ähnliche Gedanken hegte. Der Elf war aufgesprungen und hatte dem nächsten Wächter eine Hellebarde entwunden und mit ihr in den Händen kam er nun auf die Vorsitzenden der Gerichtsverhandlung zugesprungen. Manya stand indess wie erstarrt, ihre Augen waren blicklos, ihre Hände und Füße noch gefesselt. Wächter stürzten herbei, doch waren sie auf solch einen Zwischenfall nicht vorbereitet gewesen und Dwarusch tauchte einfach unter ihnen hinweg. Wie eine unstoppbare Naturgewalt bewegte er sich auf das Richterpult zu, da erklang plötzlich eine herrische Stimme, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen. "Halt!"
Der eben noch klare Himmel verdunkelte sich und ein urgewaltiges Donnern erklang, gefolgt von einem hellen Blitz, der auf dem Platz vor dem Saal einschlug, sodass es Pflastersteine regnete. Dwarusch schüttelte verwundert den Kopf und ließ das Schwert fallen, als er glaubte, aus einem bösen Traum zu erwachen. "Genug diesen Unsinns!", erklang wieder die scharfe Stimme und alle Anwesenden blickten zum Eingang des Saals. Dwarusch hörte wie von fern, wie jemand scharf die Luft einsog und unterbewusst erkannte der Zwerg, dass es Mensys war.

Der Hohepriester stand im Türrahmen.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Was ist das für ein Zauber, der unsere Augen blendet?", fragte Lord Urmat noch ganz atemlos. Er hatte sich als erster von dem Schock erholt und war halb aufgestanden, wobei er sich mit seinen zu Fäusten geballten Händen auf die Tischplatte stützte. "Wer treibt dies grausiges Spiel mit mir, habe ich dich doch vor Stunden noch kalt und leblos im Tempel liegen sehen?!" "Zweifle nicht an dem was du siehst, mein Sohn", entgegnete der Hohepriester und blickte Urmat liebevoll an. "Aha", kommentierte eine trockene Stimme in Dwaruschs Geist diese Offenbarung. Der Zwerg fand, dass sie recht selbstgefällig klang.
"Tatsächlich, mein Körper liegt im Tempel und wartet darauf, in die Gruft getragen zu werden, wo er seine letzte Ruhe finden soll, doch fühle ich mich noch recht lebendig", wandte der Hohepriester sich nun an das versammelte Volk. "Derjenige, der diese Intrige plante, nahm einen Fingerhut meines Blutes und schuf diese Kreatur, die nun leblos daniederliegt. Mensys, tritt vor deinen Meister, deinen Vater und harre meines Urteils!"

Mensys schien von einer unsichtbaren Kraft beinahe von den Füßen gerissen und kam dem Hohepriester entgegen, als dieser den langen Mittelgang zwischen den Sitzbänken entlang geschritten kam. "Schande über dich, Mensys! Deine Taten verurteilen dich! Du hast mich hintergangen, mich, der ich dir immer ein treuer Freund gewesen bin! Ohja, du warst geschickt, hast weit voraus geplant, doch ich bin dir zuvorgekommen. Wie konntest du nur so dumm sein, dich mit einem der Fürsten der Hölle einzulassen?" Die Menge schnappte hörbar nach Luft, doch Dwarusch nahm die Neuigkeit relativ gelassen auf. Er fühlte sich noch immer wunderbar leicht und unberührt von den Geschehnissen um ihn herum. "Und dann auch noch in unserer heiligen Stadt, auf der Schwelle zum göttlichen Himmel. Unser Gott hat deine böse Absicht schon vor Wochen erkannt und mich als seinen demütigen Diener vor deiner Verruchtheit gewarnt. Doch konnte ich nichts unternehmen, warst du doch einfach zu schlau, um dich zu verraten."

"Du hast versucht mich zu ermorden, denn die Dämonenfürsten, denen du dienst, wissen so gut wie ich, dass der Orden ohne mich lange genug kopflos wäre, um ihnen Zeit zum Handeln zu verschaffen. Doch nicht genug, dass du diese schändliche Tat zu begehen versuchtest, nein, in deiner Bösartigkeit benutztest du unschuldige Reisende, die ihren Weg in unsere schöne Stadt gefunden hatten, zu deinem Zweck. Leugnest du, dass du diese beiden tapferen Fremden verführt und manipuliert hast, sodass sie deinem Zwecke dienten?"
Mensys hatte nun offensichtlich eingesehen, dass es zu spät zum Leugnen war. Sein sonst so gutmütiges Gesicht verwandelte sich und die Falten, die zuvor Ausdruck von Weisheit und Frohsinn waren, betonten nun das irrsinnige Feuer und die Bösartigkeit in seinen Augen. Seine Züge nahmen etwas wölfisches an, als er den Hohepriester voll Hass anstarrte. "Ja, ich tat es!", zischte er und seine Stimme klang wie die einer Schlange - vorausgesetzt, Schlangen könnten reden.

"Ich habe sie dazu gebracht, meinen Befehlen zu gehorchen und zwar ohne, dass sie davon wussten. Ich schickte sie in den Tempel, doch war mein Plan weitaus durchdachter. Ich wollte Euch nicht einfach nur töten - jedenfalls nicht sofort. Ihr wart schwach, nachdem Ihr Euch bei der Heilung der Fremden verausgabt hatte - jedenfalls dachte ich das. Ich kam und versetzte Euch in Schlaf, dann brachte ich Euch an einen geheimen Ort in den Katakomben der Stadt, wo ich mich später um Euch kümmern wollte. Als diese zwei Narren Euer Quartier kamen, erwartete ich sie und ließ es so aussehen, als ob sie Euch getötet hätten, dann löschte ich ihre Erinnerung. Doch war das noch nicht das Ende. Mein Meister hatte mir mitgeteilt, dass ein anderer Kult in der Stadt verweilte, der einen der uralten Feinde meines Meisters zu beschwören suchte. Ich schuf ein Abbild von Euch Hochwürden, eine Kreatur, die ich mit der Seele eines der niederen Diener meines Meisters füllte und arrangierte es so, dass dieser Kult ihn fand."

"Dann schrieb ich Manya, der Ritterin, einen Brief, denn ich wollte, dass sie für mich diesen Kult auslöschte und zugleich selbst Schuld auf sich lud, die das Tribunal dazu veranlassen musste, sie aus der Stadt zu verbannen. Dann hätte ich sie zu meiner Schülerin gemacht und sie in die dunklen Geheimnisse eingeweiht, die ich in meinem schwarzen Herzen bewahre. Es lief alles nach Plan, denn sie befreite den Elfen und erledigte die Drecksarbeit für mich. Dass Euer Doppelgänger dabei starb war ein glücklicher Zufall, hatte ich doch die Wache den beiden Flüchtigen hinterher geschickt." "Und was hattet Ihr mit mir vor, Mensys?", fragte der Hohepriester und der Ausdruck des Mitleids in seinen Augen schien den Anderen in geradezu irrsinnige Rage zu versetzen. "Ihr solltet sterben!", schrie der sonst so beherrschte Priester. "Langsam und qualvoll und Euer Blut sollte den Weg für meinen Meister ebnen! Verflucht seid Ihr! Möget Ihr verroten!" Mensys fauchte seinen Gegenüber an und eine beängstigende Metamorphose ging damit einher. Sein Mund wurde spitzer, sein Körper dehnte sich aus, Flügel entsprangen seinem Leib... Der junge Drache fauchte noch einmal, dann stieß er sich vom Boden ab und flog durchs Fenster, eine Wolke aus Glassplittern und entsetzte Menschen hinter sich lassend.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Und so konnte ich entkommen", schloss der Hohepriester, welcher sich, nach einer ziemlich direkten Frage Dwaruschs endlich als Thyrven vorgestellt hatte, seinen Bericht. "Höchst erstaunlich", kommentierte Elessar das ganze höflich, während der Zwerg, welcher jetzt, da ihm enthüllt worden war, dass er die ganze Zeit unter dem Einfluss eines korrupten Priesters gestanden hatte, außerordentlich schlechter Laune war, einen abfälligen Laut machte. "Lasst mich zusammenfassen", begann er und wandte sich von dem Fenster in einem heimeligen Raum in einem der Türme der Zitadelle ab, um ungeduldig auf und ab zu stiefeln, wobei er seine Hände hinter dem Rücken verschränkte und, vielleicht unbewusst, den Gesichtsausdruck eines Gelehrten annahm. "Ihr habt Euch gefangen nehmen lassen, obwohl Ihr Mensys jederzeit in eine Kröte verwandeln hätten können. Dann erlaubtet Ihr diesem verdammten Mistkerl - verzeihung, Hochwürden - ein Duplikat Eurer selbst zu erschaffen und als er und seine Ausgeburt der Hölle weg waren, habt Ihr mit einem leichten Wink einer Eurer Hände Eure Fesseln gelöst und die geflügelten Dämonen, die Mensys zu Eurer Bewachung gerufen hatte, zurück in die Hölle verbannt?" "Nun", machte Thyrven und zwinkerte Elessar zu. "Nachher war ich schon ein wenig erschöpft..." Dwarusch warf die Hände in die Luft und brummte etwas Unverständliches.

"Können wir dann endlich?", fragte Dwarusch ungeduldig, während Elessar seinen Blick wehmütig über die Menge schweifen ließ, die sich auf dem zentralen Platz versammelt hatte, um die beiden Fremden zu verabschieden. Der Zwerg argwöhnte, dass sie sicher gehen wollten, dass er und sein elfischer Kumpane auch wirklich die Stadt verließen. Ein durchaus berechtigter Wunsch, wenn man den ganzen Wirbel betrachtete, den ihr Eintreffen verursacht hatte.
Während Dwarusch zum Amüsement aller Anwesenden auf einem wackligen Hocker stand und das Gleichgewicht zu wahren versuchte (irgendwie musste er ja auf den Rücken des wahrlich riesigen Schlachtrosses gelangen, das man ihnen zum Geschenk gemacht hatte und er wollte sich nicht dadurch demütigen, dass er sich von dem bonierten Elfen hochheben lassen musste), seufzte Elessar mit einer guten Portion Theatralik. Obwohl ihn die Geschehnisse der vergangenen Tage eigentlich etwas besseres hätten lehren müssen, vermisste er Manya, die gelassene und - er wollte es ja gar nicht abstreiten! - überaus hübsche Ritterin. Bedauernd gab er dem Hohepriester die Hand, welche dieser herzlich schüttelte und winkte der versammelten Bevölkerung Ulsanys nachlässig zu, dann schwang er sich geschmeidig in den Sattel (nun gut, der Leser hat den Autor ertappt, denn wie es einem Elfen zweiter Natur ist, verzichtete Elessar natürlich auf einen Sattel) und wartete, dass der schwerfällige Zwerg seinen gewohnten Platz hinter ihm auf dem Rücken des prächtigen Tieres eingenommen hatte.

"Ah, da sind sie ja, die Helden unserer schönen Stadt!" Elessar richtete sich sofort auf (nunja, jedenfalls im Bereich des Oberkörpers, obwohl es für einen Elfen sicherlich auch kein Problem gewesen wäre, auf dem breiten Rücken des Pferdes Halt zu finden und sich hinzustellen), als er die ihm so gut bekannte Stimme vernahm, die er beim Verlassen der Stadtmitte vermisst hatte. Manya trat aus dem Schatten neben dem äußeren Westtor, welches sie gerade im Begriff gewesen waren, zu durchreiten. In ihren gepanzerten Händen ruhten die Zügel eines schwarzen, offensichtlich sehr feurigen Hengstes, der erhobenen Hauptes daherschritt. "Ich habe mich entschlossen, euch zu begleiten, tapfere Recken", verkündete sie, erstickte jedoch sofort jeden Widerspruch, den sie ob der geröteten Gesichter von Zwerg und Elf vorausahnte, im Keim. "Keine Widerrede, es ist mir eine Ehre und eine Pflicht, die ich mir mit Freuden selbst auferlegt hätte, hätte mein Gott mich nicht mit dieser Aufgabe betraut. Wollen wir nicht losreiten?" Elessar war sprachlos und Dwarusch gerzeites Gebrumme blieb wohlweislich gedämpft, sodass die beiden ohne jeden offen geäußerten Widerspruch darauf warteten, dass Manya ihr Pferd bestieg. Schweigend ritten die drei aus der Stadt der Rosentempler, stillschweigend dem Augenblick entgegenfiebernd, da sie die zuweilen beklemmd wirkende Schlucht hinter sich lassen würden.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Endlich haben wir diese verdammte Schlucht hinter uns. Ich konnte den Anblick von kahlem Fels auf beiden Seiten schon nicht mehr ertragen und ich bin ein Zwerg!" Dwarusch brummte ein altes Goldgräberlied, während er seinen Blick von der die Landschaft verschandelnden Schlucht zu der Ebene hintern ihnen schweifen ließ, die sich meilenweit in alle Richtungen erstreckte, allein im Süden von der aufragenden Felsnadel des Zwergensbergs unterbrochen. "Wahrlich", stimmte Elessar in bedeutungsschwangeren Tonfall ein. "Diese Schlucht zieht sich wie eine Narbe durch die sonst so fröhliche Landschaft, eine Narbe wie sie auch in meinem Herzen existiert und mich bei jedem Anblick dieser Schlucht am ganzen Leibe erbeben lässt!"
Manya und Dwarusch blickten den Elfen einen Augenblick mit Glubschaugen an, dann wechselten sie einen Blick und fingen schließlich in solcher Synchronität an zu lachen, dass es einem erschien, als hätten sie sich zuvor abgesprochen. "Von Eurer Dichternatur wusste ich ja noch gar nicht, Herr Elf! Eine sehr poetische Ader, nicht wahr?" Dwarusch nickte bebend, von unterdrückten Kicheranfällen durchgeschüttelt. Übellaunig und aufs Tiefste beleidigt wendete Elessar sein Pferd und drückte ihm härter als beabsichtigt die Fersen in die Flanken, sodass der Zwerg hinter ihm Mühe hatte, sich auf dem Rücken des Reittiers zu halten.

"Dwarusch, wollt Ihr nicht lieber mit mir reiten? Dieser Pferderücken sieht ziemlich hart aus." Die drei Gefährten hatten eine Rast gemacht, nachdem sie den ausgedehnten Wald vor dem Eingang (bzw. Ausgang, es hängt ganz von der Perspektive ab) der Rosenschlucht passiert und diese deprimierende Felsspalte nicht mehr zu sehen war. Dwarusch blickte Manya überrascht an, dann betrachtete er den Sattel, welchen die Ritterin ihrem feurigen Hengst abgenommen hatte. Er sah bequemer aus als der von harten Knochen durchzogene Pferderücken, auf dem er bisher immer verweilt hatte und der Zwerg musste sich eingestehen, dass ihm der Hintern davon schon weh tat (es war ihm unbegreiflich, wie Elessar das aushielt, anscheinend hatte er einen Hintern aus Stahl). "Gerne!", rief Dwarusch aus und lächelte breit, vor allem, weil er aus dem Augenwinkel Elessars verdrießliche Miene bemerkte, die der Elf bei diesen Worten aufsetzte. Als sich das seltsame Trio erholt und sich ein wenig gestärkt hatte, nahm Dwarusch also diesmal vor Manya auf dem Pferd Platz, wobei er noch nicht einmal Einwände erhob, als die Ritterin ihn mir nichts, dir nichts hochhob und in den Sattel setzte. Aufgrund seiner geringen Körpergröße und dem Umstand, dass Manya ihr Kettenhemd abgelegt hatte und nunmehr nur noch eine dünne Tunika und ihren blauen Umhang trug, konnte sich der Zwerg immerhin die Ohren warm halten. Elessar betrachtete dieses Bild einen Moment, dann schnaubte er entrüstet, um nach vorne zu galoppieren und zu kundschaften, damit er diesen schmerzlichen Anblick von Zwerg und Menschenfrau so dicht beieinander nicht länger ertragen musste.
Benutzeravatar
Dwarusch
Bogenschütze/in
Bogenschütze/in
Beiträge: 177
Registriert: Sa 17.01.2004 - 19:11

Beitrag von Dwarusch »

"Ein großartiges Ding habt Ihr da, Herr Zwerg", meinte Manya bewundernd, während ihre erfahrenen Hände langsam über das längliche Objekt Dwarusch strichen. "Danke", erwiderte der Zwerg etwas verlegen. "So groß und lang!", rief die Ritterin erstaunt aus. "Ja, er befindet sich schon seit Generationen in unserer Familie und wurde in den niemals niederbrennenden Feuern der Schmiedeöfen unter dem Zwergenberg geschmiedet." "Eine hervorragende Waffe", sagte Manya noch einmal, dann reichte sie den Streitkolben über des Zwergen Kopf an diesen zurück. "Aber ich verlasse mich lieber auf mein Schwert. Bei diesen ständigen Kreisbewegungen kugelt man sich ja den Arm aus." "Oh, wir Zwerge sind gutgebaut und halten solcherlei mindere Leiden leicht aus." Zu diesem Zeitpunkt kehrte Elessar von seinem kleinen Erkundungsausflug zurück, seine miese Laune war nicht zu übersehen, das Missfallen, das in ihm gärte, war deutlich an seinem Gesicht abzulesen. "Ich habe da etwas gefunden, das ihr euch ansehen solltet", berichtete er mit grimmiger Miene.

"Goblins!" Dwarusch spuckte das Wort fast aus. Die drei Gefährten standen am Rande eines völlig verwüsteten Dorfes. Öliger Qualm stieg von den verbrannten Ruinen der Häuser aus und der Boden war mit Blut und Leichen übersät. Viele Menschen, Frauen und Kinder ebenso wie kräftige junge Männer lagen hier, die Kehlen aufgeschlitzt, den Schädel zertrümmert oder mit Pfeilen gespickt. Doch auch einige der Angreifer waren gefallen. Alle paar Meter erspähte Dwarusch den kleinwüchsigen, gelb-grünen Körper eines Goblins zwischen den anderen Opfern des Gemetzels. "Wohin führt die Spur, Bursche?", fragte der Zwerg Elessar ziemlich ruppig. Offensichtlich bewegte ihn der grauenhafte Anblick des zerstörten Dorfes und seiner getöteten Bewohner weit mehr, als er bereit zuzugeben war. Der Elf indes verzichtete darauf, seinen treuen Gefährten darauf hinzuweisen, dass er ihn an Lebensjahren vermutlich um einiges übertraf. "Nach Osten. Wenn mich nicht alles täuscht, liegen dort die Ballungszentren der Menschen und die Feste Rogus. Dieses Geschmeiß hat sich kaum Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen." "Also dann, folgen wir diesen verlausten Mistkerlen und reißen ihnen die Eingeweide heraus!", rumpelte Dwarusch, doch Manya erhob Einspruch: "Meint Ihr nicht, dass hier noch etwas zu tun ist?"

Eine Stunde später ritt das seltsame Trio auf der breiten Straße gen Osten und jeder der drei versuchte einerseits den schrecklichen Anblick des Dorfes zu verdrängen, und sich andererseits die Bilder in Erinnerung zu rufen, um seinen Zorn zu schüren und ihn dann mit gebührender Intensität und Hitze auf die widerlichen Geschöpfe herabregnen zu lassen, die für dieses Massaker verantwortlich gewesen waren. Hinter sich ließen sie die immer noch rauchenden Holzgerippe der dem Erdboden gleichgemachten Häuser und eine große Aufwerfung frischer Erde, unter der die Leichen der Dorfbewohner ruhten. Es war etwas, das sie gemacht hatten, ohne sich zuvor darüber abzusprechen. Es war genauso selbstverständlich wie die Errichtung eines großen Scheiterhaufens, auf dem sie die körperlichen Hüllen der Goblins verbrannt hatten. Doch ihre Rache war noch nicht gestillt und jeder der drei, egal ob Mensch, Zwerg oder Elf, hoffte darauf, dass sie Gelegenheit erhalten würden, die dahingemetzelten Dorfbewohner gebührend zu rächen.
Gesperrt

Zurück zu „Die Salische Ebene“