(MQ) Dort, wo die Rosen blühen... 7. Quest

Die Salische Ebene - Ebene des SirSteelKing

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Dwarusch
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Die drei Gefährten, die doch unterschiedlicher kaum sein konnten, wechselten kommentarlos in einen andauernden Kanter, der sie in Windeseile förmlich über die Straßen fliegen ließ. Nunmehr war die Spur auch für Dwaruschs manchmal etwas kurzsichtige Augen deutlich sichtbar und das rachsüchtige Trio folgte ihr wie eine Schar Bluthunde. Offensichtlich hatten die Goblins (und Orks, wie Ellessar altklug nach dem kritischen Betrachen einiger Fußabdrücke bemerkte) sich keine große Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen. Verständlich, schließlich brauchten sie sich ja auch nicht vor Vergeltungsmaßnahmen fürchten und mussten nicht alle halbe Stunde einen gehetzten Blick über die Schulter werfen.
Während sie also so dahinritten, schweiften Dwaruschs Gedanken von der mäßig spannenden Jagd ab (immerhin waren noch keine Feinde zu sehen, die angsterfüllt quieckend vor dem donnernden Hufschlag ihrer Streitrösser hinwegstoben) und befassten sich mit der Aufgabe, die vor ihm lag. Thor war in den Visionen, die den Zwerg in seinem Bett im nördlichsten Außenposten der Rosentempler befallen hatten, sehr deutlich gewesen. Er musste die Festung Rogus erreichen und das möglichst bald.

Dwarusch war zwar kein Experte, aber er hatte Karten gesehen und schätzte die Entfernung zur Ebene recht treffend ein. Vier oder fünf Tagesmärsche (bzw. in diesem besonderen Fall Ritte) quer über die Ebene und sie würden vor den Toren der Festung stehen (Man sollte hierbei beachten, dass eine solche Prognose für einen in unterirdischen Gängen lebenden Zwerg geradezu eine Glanzleistung war. Aus ersichtlichen Gründen werden diese zu groß geratenen Maulwürfe an der Oberfläche immer ziemlich nervös.).
Dwarusch überdachte seinen letzten Gedankengang noch einmal und ließ seinen Blick missbilligend über das Umland schweifen. Von "eben" konnte hier eigentlich keine Rede sein, statt dessen repräsentierte sich die Landschaft als hügelige Ansammlung von...nun, Hügeln. Und Tälern.
In eben solch eines führte nun die sich windende Straße und Dwarsuch und seine Gefährten erhaschten einen Blick auf eine größere Ansammlung von Hütten, die auf ein mittelgroßes Dorf hindeuteten. Eine dünne Rauchfahne stieg von der Siedlung auf und zerfaserte im Wind. Die drei Abenteurer befürchteten das Schlimmste.

"Halt!" Elessar und Manya rissen empört an den Zügeln ihrer Pferde, um sie zum Anhalten zu bewegen, Dwarusch beschränkte sich auf ein ungläubiges Starren. Der Grund mag dem Leser, welchem ja eine dreidimensionale Sicht auf das Geschehen verwehrt bleibt, zunächst verschlossen geblieben sein, doch wenn wir nun den erzählerischen Fokus von der Gruppe leidgeprüfter Abenteurer abgleiten lassen und uns ganz darauf konzentrieren...
Um es kurz zu machen: Ein halbes Dutzend in abgerissene Lumpen gekleidete Männer standen auf der Straße und versperrten den Weg durchs Dorf und obwohl Elessar mit seinem elfischen Sinn für Anstand wohl über die Kleidung der Kerle die Nase rümpfte, hatte er wahrscheinlich nichts an der Qualität der mit Eisenspitzen versehenen Pfeile auszusetzen, die auf den Sehnen ebenso gut gearbeiteter Bögen lagen und - zufälligerweise! - direkt auf die drei Gefährten zielten. "Öhm...'Wir kommen in Frieden?'!" Dwarusch sah ja ein, dass die Umstände es erforderten, wenigstens etwas zu sagen, aber das...
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Dwarusch
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"Frieden? Ha!", meldete sich eine körperlose Stimme zu Wort, der jedoch fast gleich darauf der zugehörige Mann folgte. Er war um die fünfzig und hatte eine Augenklappe über dem rechten Auge (nein, er hatte kein Holzbein und es gab auch keine sonstigen Übereinstimmungen mit irgendwelchen berühmt-berüchtigten Piraten). "Ihr sprecht von Frieden, wo doch Krieg dieses Land überzieht? Wer seid Ihr? Und seid gewarnt, wir töten jeden, der mit den Goblins verbündet ist, ohne viele Worte." "Sehen wir etwa aus, als hätten wir etwas mit diesem Geschmeiß zu tun?", fragte Manya sichtlich empört.
Einer der Bogenschützen, ein pockenarbiger junger Kerl, nickte in Richtung des Zwerges und meinte zu seinen Kollegen: "Der da sieht aus wie ein Goblin, nicht?" Elessar lenkte sein Pferd klugerweise neben das von Manya und legte eine Hand auf die Schultern des Zwerges, um den scheinbar unvermeidlichen Wutausbruch zu verhindern, der sich bereits deutlich auf Dwaruschs Gesicht abzeichnete.

"Macht Euch nicht zum Narren, junger Herr. Dies ist ein ehrwürdiger Zwerg", verkündete Manya hochtrabend. Der zweifelnde Bogenschütze betrachtete Dwarusch eingehend und ignorierte die unausgesprochene Morddrohung in dessen Blick. "Hmm, also von der Größe würde das wohl passen, aber wo ist sein Helm?" "Und seine Axt?", warf ein anderer hilfsbereit ein. "Zwergen tragen immer Äxte, das weiß doch jedes Kind." "Bist du sicher? Ich dachte, die tragen Spitzhacken und singen fröhliche Lieder?"
"Wir mir scheint, kennt ihr Euch gut mit dem Geschlecht der Zwerge aus", meinte Elessar fröhlich, war aber so klug, auf Distanz zu gehen, damit Dwarusch ihm nicht einen Tritt gegens Schienbein verpasste - bestenfalls. "Das will ich wohl meinen!", ereiferte sich ein weiterer aus der Gruppe der Bogenschützen. "Kommen hier ja andauernd durch, nicht wahr?" "Und sie singen immer 'Haiho, Haiho...'" An diesem Punkt hielt es Manya für angebracht, dem Zwerg beide Hände auf die Schultern zu legen.

"Dies ist zweifelsfrei ein Zwerg, meine Herren. Ich gebe Euch mein Wort darauf", meinte Manya beschwichtigenden Tonfalls. "Und wo ist dann sein Goldklumpen?", wollte ein anderer Zweifler wissen. "Was?", fragte die Ritterin vollkommen perplex. "Na, das weiß doch jeder: Zwerge tragen immer einen großen Klumpen Gold mit sich herum, weil sie so vernarrt darin sind." "Nein, nein", entgegnete ein anderer. "Du meinst Kobolde. Und es ist ein Topf voll Gold." "Kobolde? Hab die kleinen Mistviecher noch nie in einer Mine schürfen sehen." "Was hat das denn damit zu tun?" "Naja, irgendwoher muss das Gold ja wohl kommen, oder willst du mir sagen, dass es vom Himmel gefallen ist?" Der Mann lachte ein wenig einfältig.
"Nein, nein", verbesserte ihn der andere. "Sie machen es mit Magie." "Aaah" Alle nickten wissend. "Mit Magie kennen wir uns aus, will ich mal meinen, nicht wahr?" "Allerdings. Der große Rassoni hat drei Monate in unserer Gaststube seine Zauberkunsstücke vollführt." "Dieser alte tratrige Greis? Ich mochte seine Assistentin viel lieber. Wenn die auf den Tischen tanzte...ihr wisst, was ich meine." Sie wussten es. "Oh, seht mal. Der Goblin und seine Freunde sind weg..."
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"Mich dünkt, jemand ist uns zuvor gekommen, meine Herren." "Sieht ganz so aus", entgegnete Elessar trocken auf Manyas hochgestochene Feststellung. Dwarusch hingegen beschränkte sich nicht auf solche Floskeln, er spie angeekelt aus und zerschmetterte dem nächsten toten Goblin den Schädel mit seinem Streitkolben. "Verdammte Mistkerle! Da hat sich irgendwer amüsiert, ohne uns einzuladen!" Auf diese Worte folgte eine haarsträubende Schimpfkanonade, in der der Zwerg diejenigen, welche die Golbins und Orks dahingemetzelt hatten bis in die dreizehnte Generation verfluchte.
"Sieht nach Reitern aus", murmelte Elessar, der sich über die Spuren gebeugt hatte, die den Boden hier allerorts prägten. "Allerdings", bestätigte Manya und tippte dem Elfen auf die Schultern, um dann auf den im Verwesen befindlichen Pferdekadaver zu weisen, der einige Meter entfernt halb versteckt hinter einem Gebüsch lag. "Ähem...nunja" Elessar räusperte sich nervös und ging hinüber, um sich den Mann anzusehen, der neben dem toten Pferd lag. Dwarusch zerrte murrend an seinem Streitkolben und schloss sich schließlich grummelnd seinen beiden Gefährten an.

"Sieht ziemlich tot aus, wenn ihr mich fragt", brummte der Zwerg nach einem Blick auf die Leiche. "Dem Fortschritt der Verwesung nach zu urteilen, würde ich sagen, dass er vor drei Tagen ermordert wurde", stellte Elessar fest. "Sag ich doch: Mausetot!" Dwarusch zwinkerte Manya zu, über deren Züge ein rasches, mädchenhaftes Lächeln huschte. Der Elf ignorierte diesen Einwurf. "Da er noch hier ist, müssen seine Kameraden wohl in Eile gewesen sein - entweder, weil sie verfolgt wurden, oder weil sie dringenderes zu erledigen hatten, als ihren gefallenen Kameraden zu Grabe zu tragen." "Jemand, der seinen getöteten Freunden nicht die letzte Ehre erweist, zählt in meinen Augen nicht vielmehr als das Schwarze unter dem Fingernagel", meinte Dwarusch abfällig. "Wohl wahr", fiel Manya ein. "Doch was, wenn sich größeres Unheil am Horizont abzeichnete, sodass sie vor der Entscheidung standen, entweder zu fliehen und ihr eigenes Leben zu retten, oder gemeinsam mit ihrem gefallenen Gefährten zu sterben." "Pah!", machte Dwarusch, aber es klang nicht recht überzeugt.

"Zu schade, dass wir diesem Lumpenpack nicht folgen können", bemerkte Dwarusch nun zum mindestens zwanzigsten Male, wobei er eindeutig über seinen Streitkolben strich. Er ließ offen, welches 'Lumpenpack' er meinte: Menschen oder Goblins
"Wenn ich Euch erinnern darf, mein Gefährte, so ward Ihr es, der darauf beharrte, weiter gen Rogus zu ziehen", warf Manya ein, nachdem sie einen verzweifelten, von heftigem Augenrollen begleiteten Blick Elessars aufgefangen hatte. "Ja, ich weiß. Und die Fährte führte in Richtung Südosten", gab Dwarusch zu. "Trotzdem...", meinte er unbestimmt. "Ich weiß", beruhigte ihn die Ritterin und legte dem Zwerg vertraulich eine Hand auf die Schulter, worauf dieser doch tatsächlich unter seinem Bart errötete. Elessar spornte sein Pferd an und wandte dabei den Blick ab, um nicht vor Dwaruschs Augen in schallendes Gelächter auszubrechen. So begnügte er sich mit einem haltlosen Grinsen, während er kundschaftete.
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"Seid wachsam, mein Freund, diese widernatürlichen Kreaturen könnten sich noch hier herumtreiben", meinte Manya, während sie ihr Lager zurechtzupfte und die leichte Decke enger um sich zog. "Halt die Ohren steif, Elf!", rief Dwarusch Elessar zu und grölte noch ein wenig, bevor er sich an einen großen Findling lehnte und die Augen schloss. Elessar stocherte verdrossen im Feuer, sodass die Funken nur so flogen. Natürlich musste er wieder während der Nacht Wache halten. Kein Wunder, waren seine Gefährten in der Dunkelheit doch so blind wie Maulwürfe. Eigentlich seltsam, dachte Elessar mit einem Blick auf Dwarusch. Wenn man sein ganzes Leben unter Tage verbrachte, sollte man doch auch an der Oberfläche eine gewisse Nachtsicht-Fertigkeit besitzen. Vielleicht war Dwarusch schon zu lange fern der Heimat und seine Augen hatten sich an die veränderten Lichtverhältnisse angepasst. Elessar schauderte, als er an die dunklen, erdigen Gänge dachte, welche die Zwerge als 'Zuhause' betrachteten. Er selbst liebte wie jeder Elf die Natur und damit auch die Erde, doch die Vorstellung, den Himmel nicht sehen zu können und auf allen Seiten von nacktem, kahlen Fels umschlossen zu sein, ängstigte Elessar. Er zog die Decke, welche er um seine Schultern gelegt hat, enger und blickte nachdenklich ins Feuer, während er auf verdächtigte Geräusche lauschte.

Dwarusch träumte gerade von einer besonders ergiebigen Mithrilader, die er zusammen mit Vater und Mutter bestaunte, als ein schwaches Rumpeln seine Aufmerksamkeit weckte und ihn aus dem Schlaf riss. Der Zwerg kämpfte dagegen an, versuchte mit mentalen Händen nach seinem so angenehmen Traum zu greifen, doch er entglitt seinen mit metaphysischen Fett eingeriebenen Händen und zwang Dwarusch dazu, die Augen zu öffnen. Zuerst wusste er nicht so recht, was ihn geweckt hatte, zumal alles so friedlich wie immer wirkte. Das Feuer war ein wenig heruntergebrannt, aber glimmte immer noch und Dwarusch erkannte die vertrauten Schemen von Elessar und Manya. Unwillkürlich schweiften seine Gedanken ab, als er die Ritterin betrachtete. Diese Frau verwirrte ihn. Erst hatte er sie für kaum mehr als das Füllmaterial für ihre imponierende Rüstung mit einem entsprechenden Verstand gehalten, doch seit ihrem Weggang aus Ulsany hatte die Ritterin einen erstaunlichen Scharfsinn an den Tag gelegt. Dwarusch folgte der Tradition der Zwerge und interessierte sich daher nicht sonderlich für körperliche Attribute, besonders nicht bei "Großen". Doch die Eleganz, mit der sich Manya trotz ihrer schweren Rüstung bewegte, beeindruckte auch ihn.

Dwarusch romantische Gedanken wurden unterbrochen, als er das Rumpeln, welches ihn geweckt hatte, erneut verspürte. Verwirrt fuhr er hoch und blickte fragend zu Elessar, der sich blitzschnell umgedreht hatte. Der Zwerg wusste nicht, ob dieser seine Bewegung gehöhrt hatte, oder ob er auch auf das Rumpeln aufmerksam geworden war, weshalb er eine entsprechende Frage formulierte.
"Hast du das auch ge...?" Weiter kam er nicht, denn eine Bewegung in seinem Rücken ließ ihn mitten im Satz abbrechen. Starr vor Schrecken drehte er sich ganz langsam um, unsicher, ob er überhaupt sehen wollte, was sich so unhörbar an ihn herangeschlichen hatte. Auf das, was er sah, war er überhaupt nicht vorbereitet. Der große Stein, auf dem er geschlafen hatte (Zwerge leben im Einklang mit dem Fels und stören sich daher nicht an der für andere Rassen so offensichtlichen Unbequemlichkeit eines Steins) erzitterte und bewegte sich!

Ein Laut wie ein müdes Gähnen erklang, dann streckten sich vier Beine aus dem zuvor noch absolut massiv aussehenden Felsen und suchten Halt auf dem Boden. Sie waren von grauer Farbe und faltig vor Alter. Dwarusch brachte kein Wort heraus, als sich ihm ein kieselsteinförmiger Kopf, der an einem kurzen, ebenfalls steingrauen Hals befestigt war, entgegen streckte. Ein peitschendes Geräusch erklang und ein gut ein Meter großer Schwanz schoss am hinteren Ende des Steins hervor. Fassungslos betrachtete Dwarusch das zahnlose Grinsen, mit dem das seltsame Wesen ihn bedachte, dann stammelter er: "Ein lebender Stein! Faszinierend!"
Der Zwerg streckte vorsichtig die Hand aus, um das Geschöpf zu streicheln, da erklang plötzlich ein Rascheln von der anderen Seite der Lichtung, auf der die Gefährten ihr Lager aufgeschlagen hatten und der Kopf des lebenden Steins fuhr hoch. Einen entsetzten Blick über Dwaruschs Schulter werfend, wirbelte es herum (das ist nicht unbedingt wörtlich zu nehmen, denn ein Wesen von der Konsistenz und Behäbigkeit eines Steins ist von dem Begriff 'wirbeln' so weit entfernt wie Providentia von seinen beiden Monden) und verschwand stampfend im Unterholz. "Was?!", fragte Dwarusch geschockt, doch Elessars irgendwie hilflose Stimme bewegte ihn dazu, sich umzudrehen. "Ich glaube, wir haben ein Problem..."
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Es schien, als wären Dwarusch Räder oder besser noch Kufen gewachsen und der feste, trockene Boden hätte sich in eine Eisarena verwandelt, die auch den besten Schlittschuhläufern würdig gewesen wäre, so leicht drehte sich der Zwerg auf der Stelle. Was er erblickte, ließ ihm die Kinnlade herunterklappen."Bei Thors Hammer!", rief Dwarusch erstaunt aus. "Bei der heiligen Mondsichel des göttlichen Allvaters!" Das war Manya, keine Frage. "Verflixt und zugenäht, was für ein Ding!" Elessar schien unter den befremdlichen Blicken seiner Gefährten vor Scham zu schrumpfen.
Der Grund für die beredete Fassungslosigkeit der drei Reisenden war das Gebilde, welches am Rand des vom Lagerfeuer geworfenen Lichtscheins stand und sich auf der Lichtung umblickte. Es ragte mindestens zwei Meter hoch auf, eher noch drei und glich in Gestalt und Aussehen einem Menschen - jedenfalls, was den Rohbau betraf. Manya stellte interessiert fest, dass dem Schöpfer des tönernen Muskelprotz mit den baumstammdicken Beinen, der da vor ihr stand, wohl gewisse Details der menschlichen Physis entgangen waren, denn bei der offensichtlich männlichen Abbildung fehlte ein gewisses Körperteil, dessen angestammter Platz sich normalerweise in dem Bereich zwischen Kniescheiben und Bauchnabel befand. Wobei - einen Bauchnabel hatte das Ungetüm auch nicht. Aber Hände...

Dwarusch entschied, dass 'Pranken' ein recht geeigneter Begriff für die riesigen Greifwerkzeuge am Ende der beinah auf dem Boden schleifenden Arme war. Sie ähnelten in ihrem Aussehen Bananenstauden, jedoch ist bei dieser Metapher zu beachten, dass es erstens weder Bananen mit dem Umfang von zwanzig Zentimetern gab und gibt und dass Dwarusch zweitens keine Ahnung hatte, was eine Banane war. So etwas nennt man 'künstlerische Freiheit'.
Die mit gebranntem Ton geformten Muskeln waren von der Größe in etwa mit Säcken voller Melonen vergleichbar, während der Kopf im Vergleich mit dem restlichen Körper lachhaft klein wirkte. Ein unbestimmtes, irgendwie vertrauensseliges Lächeln lag auf dem zeitlosen Gesicht und Dampf zischte aus irgendwelchen mysteriösen Öffnungen im rückwärtigen Bereich des Wesens. Dwarusch starrte den ungebetenen Gast so intensiv an, als ob er ihn mit seinen Blicken durchleuchten könnte, während er sich zu erinnern versuchte, wo er solch ein Ungetüm schon einmal gesehen hatte. Ein Wort geisterte in seinem Verstand herum, doch er bekam es nicht zu fassen. Sein mentales Selbst schlich sich in den dunklen, vernebelten Teilen seines Geistes an das Wort heran und stürzte sich auf es, um es mit seinem metaphysischen Gewicht zu Boden zu drücken. "Hab ich dich!", rief Dwarusch triumphierend in der einsamen Stille seines Geistes. Er versuchte das Wort zu lesen...: GOLEM
Aber Golems waren geistlose Wesen, die nur auf Befehl ihres Meisters agierten. Einem Magier. "Ducken!", schrie Dwarusch und alle stürzten sich in den Dreck.
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"Was macht ihr denn da unten?", fragte eine interessierte, wenn auch etwas hohl klingende Stimme. "Ist das ein neues Spiel?", fragte sie neugierig, gefolgt von einem Kichern. Dwarusch hob verwundert den Kopf und lauschte den Tönen, die offensichtlich dem gewaltigen Golem am Rande der Lichtung entsprangen. "Ich würde ja gerne mitspielen - ehrlich -, aber leider...äh...komme ich aus diesem verfluchten Ding nicht mehr raus..."
Die drei Gefährten erhoben sich nun vorsichtig und warfen misstrauische Blicke auf den tönernen Gesellen, während Dwarusch lieber weiter die Umgebung im Auge hielt. "Wisst ihr, es wäre wirklich sehr nett von euch, wenn ihr mir mal diese Platte vor meinem Gesicht wegnehmen könntet." "Wie?!", fragte Manya irritiert, doch die Stimme verstand die Frage so, als ob die Ritterin eine Anleitung zur ordnungsgemäßen Entfernung des fraglichen Stücks haben wollte. "Also, am Hinterkopf dieses Ungetüms müsste sich ein kleiner Hebel befinden, den ihr herunterziehen müsst. Dann sollte das Gesicht des Riesen ein Fingerbreit vorspringen und mit einem beherzten Rück könnt ihr es dann entfernen, indem ihr es nach oben wegzieht." Die Gefährten blickten sich schweigend mit einem Ausdruck des Unglaubens auf den Mienen an. "Vielleicht stellt ihr euch besser auf einen Hocker...", fügte die Stimme nach einem Augenblick des Nachdenkens hinzu.

"Wackel doch nicht so, verdammt!" "Du wackelst doch!" "Nein, tu ich nicht!" "Achja, entschuldige, ich vergaß - Zwerge sind nun mal eben so schwer und behäbig. Tut mir leid..." "Was hast du gesagt?! Hälst du mich etwa für dick?!!" "Und wenn es so wäre, was dann, heh?" "Du, du, du...stinkender Bastard eines Schwertfischs!" "Widerliche Eiterbeule am Hintern eines...eines...eines sehr dicken Mannes!" "Baumbestäuber!" "Steineklopfer!" "Heh, der Beruf eines Steineklopfers ist ein sehr ehrbares Handwerk!" "Meine Herren..." Die Stimme klang müde und abgespannt.
"WAS?!", fragten Dwarusch und Elessar wie aus einem Mund und bedachten Manya mit giftigen Blicken. "Wäre es Euch wohl möglich, Eure Streitigkeiten für einen Moment zur Seite zu schieben, sodass Ihr Euch auf die vor Euch liegende Aufgabe konzentrieren könntet?" "Natürlich!" "Klar doch! Es ist nur: Dieser Elf wackelt so sehr, dass ich mich wie auf den tosenden Wellen der Klaren Wasser bei einem Sturm der Stärke sechs fühle!" "Mir kommt diese Situation vertraut vor...was hältst du davon, wenn ich dich wieder einfach irgendwo hängen lasse, hirnloser Zwerg?" "Arroganter Waldheini!"
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Dwarusch
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"Jetzt zieh das Gesicht ab!" Dwarusch, der gerade den Mechanismus am Hinterkopf des Golems in Gang gesetzt hatte und vor Schrek einige Meter zurückgesprungen wäre, als sich die Gesichtsplatte mit einem lauten Knall löste, hätte er nicht auf den Schultern Elessars gestanden, brummte gereizt. "Sag mir nicht, was ich zu tun habe! Ich bin hier der Experte!" "Also eigentlich...", wollte die Stimme aus dem Innern des Ungetüms, die nun deutlich piepsiger klang als zuvor, einwenden, doch wurde sie von einem beiderseitig gefauchten "Klappe!" unterbrochen. Dwarusch schloss seine alten und gebrechlichen Finger um die Außenränder des tönernen Gesichts, das im flackernden Schein des Lagerfeuers einen unheimlichen Eindruck machte und zog es mit aller Kraft nach oben. Das Material widersetzte sich, nur um sich dann mit einem lauten *BOING* auf einmal zu lösen. Der Zwerg, nicht auf diesen plötzlichen Schub vorbereitet, flog mit dem Golemgesicht in den Händen nach hinten und riss den wild mit den Armen rudernden Elessar mit sich. Beide stürzten zu Boden und wälzten sich einen Augenblick in einer bunten Kugel im Dreck herum, wobei von beiden Seiten sehr farbige Flüche erklanngen. Als sie sich endlich gefasst hatten und aufrichteten, stand Manya bereits vor dem Golem und blickte fassungslos auf den Fleck, wo sich eben noch das tönerne Gesicht des Riesen befunden hatte.

"Na toll", brummte Dwarusch und machte keinen Hehl aus seiner Gereiztheit und Frustriertheit. "Da schuftet man sich stundenlang ab, um diesem Monstrum das Gesicht abzunehmen und was kommt hervor? Ein Halbling!" Der Zwerg stöhnte.
Vielleicht wäre es ratsam, den Autor hier einen kurzen außerplanmäßigen Einwurf anbringen zu lassen. Das Verhältnis zwischen Halblingen und Zwergen kann man seit jeher nicht unbedingt als "freundschaftlich", ja nicht einmal als "respektvoll" bezeichnen. Zwerge sind der Prototyp eines hart schuftenden Arbeiters. Sie geben alles für ihre Schmiedearbeit oder ihr Wirken in der Werkstatt und gönnen sich keine freie Minute, bis nicht jedes Detail stimmt und alles fertig ist. Halblinge dagegen besitzen von Natur aus eine gewisse Gleichgültigkeit was die Frage des Eigentümers aller möglichen Gegenstände anbelangt. Zudem ist den meisten von ihnen eine extenzielle Träg- und Faulheit angediehen, welche sich darin äußert, dass der Großteil der Halblingsgesellschaft auf harte Arbeit verzichtet. Schnell bemerkten die Halblinge, dass ihre geschickten Finger bestens dazu geeignet war, bestimmten Besitztümer den Weg in ihre Tasche zu ebnen. Dieses "Stehlen" (eine ungerechtfertige Beleidigung ihrer angeborenen Geschicklichkeit, wie die Halblinge diese Wortwahl allgemein kommentieren) ruft bei den Zwergen einen unvergleichbaren Zorn hervor, denn nichts verärgert einen Handwerker mehr, als wenn jemand die Früchte seines Schaffens entwendet.

"Ihr seht mir arg erregt aus, Meister Zwerg", bemerkte der Halbling leichthin, während er noch mit Hilfe Manyas aus dem Innern des Golems kletterte und dabei versuchte, keinen der vielen Hebel und Ammaturen zu berühren. Dwarusch war nahe an einem Wutausbruch, doch Elessar war geistesgegenwärtig genug, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Würdet Ihr uns wohl zuerst erklären, was Ihr im Namen der Hölle in diesem Golem gemacht habt?" Der Elf konnte bei aller Selbstbeherrschung nicht verhindern, dass eine gehörige Portion Ärger und Schärfe in seiner Stimme mitschwang.
"Oh, das will ich Euch gerne sagen, Herr...?" Der Halbling blickte sein Gegenüber forschend an. "Elessar", sagte er ziemlich mürrisch. Manya hob die Hand zum Mund, um ein breites Grinsen zu verstecken. Elessar hatte sich eben genauso grießgrämig wie der Zwerg angehört. "Dilvar von Ebenstätten", stellte sich der Halbling mit einer anmutigen Verbeugung vor. "Ich bin ein Verwandter des Truchsess im Land unserer Ahnen in den Tantalischen Bergen und der Graf von Ebenstätten." Dwarusch glaubte ihm kein Wort, sagte aber nichts. Ob er es zugeben wollte oder nicht, der Zwerg brannte vor Neugier und wollte die Geschichte des Halblings hören - so abstrus und an den Haaren herbeigezogen sie auch sein mochte.
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"Also", meinte Dilvar (oder wie immer er auch heißen mochte) und verschränkte die Arme über dem dicken Bauch, während er eine gemütliche Stelle in seiner halb sitzenden, halb liegenden Position an einem Baum gelehnt suchte. "Wo fange ich an? Ahja... Also mein Vetter, der Truchsess..." "Na sowas, ich dachte, er wäre Euer Bruder", kommentierte Dwarusch giftig. "Nein, nein", berichtigte ihn der Halbling gut gelaunt. "Wenn dem so wäre, würde ich derzeit wahrscheinlich auf einem Samtkissen ruhen, während mir knapp bekleidete Halblingsdamen Weintrauben schälten. Oder ich würde neben meinem Bruder in Ketten gelegt an der Wand hängen, während der Foltermeister sein Eisen in der Glut des Schmiedeofens erhitzt. Es kommt ganz darauf an, wie die gegenwärtige politische Lage in dem Land unserer Vorväter aussieht." Dilvar zwinkerte Manya zu, die ihm ein strahlendes Lächeln schenkte. Dwarusch bemerkte diesen stummen Austausch und zog ein finsteres Gesicht (ja, finsterer als sonst, das geht tatsächlich). Es machte ihn rasend, dass dieser Halbling der ehrenwerten Ritterin gefiel und dass er ihn damit eifersüchtig machte. Aber gab es überhaupt einen Grund zur Eifersucht? Hegte Dwarusch überhaupt irgendwelche Gefühle für die große Frau als Achtung und Respekt? Der Zwerg war sich seinen eigenen Gefühlen plötzlich ganz und gar nicht mehr sicher. Er errötete unter seinem Bart, klappte den Mund zu und sah überall hin, nur nicht zu Manya.

"Wie ich schon sagte, mein Vetter beschloss eines Tages, nachdem er meinen ausschweifenden Lebensstil eine Weile beobachtet hatte, dass es für mich an der Zeit wäre, den Herrscherpalast und Talstetten zu verlassen, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Wisst Ihr, der gegenwärtige Truchsess ist ein sehr fürsorglicher Mann, der sich um das Wohl all seiner Familienmitglieder sorgt. Obwohl, wenn ich genauer darüber nachdenke...nach meiner Ansicht wäre im Palast deutlich besser für mein Wohl gesorgt, als in der kargen und lebensfeindlichen Welt, in die mich Givinor - das ist mein Vetter - mit einem Fußtritt beförderte." Dilvar kicherte erneut. "Mit nichts als einem Wanderstab, einem kleinen Beutel Münzen und ein wenig Proviant zog ich also aus, um die Welt zu erforschen. Nunja, eigentlich wollte ich nur so lange wegbleiben, bis Givinor zur Vernunft gekommen wäre und wieder nach mir schicken würde. Auf jeden Fall merkte ich schnell, dass ich mehr Geld brauchte. Ich hatte gehört, dass man dafür in der Welt außerhalb des Palastes arbeiten müsste, also beschloss ich neugierig, einmal selbst diese offensichtlich so charakterförderliche Erfahrung zu machen."

"Leider hatte Givinor mein Bild auf Handzettel pressen und sie im ganzen Land verteilen lassen. Er verbot einem jeden Halbling unter Androhung schwerer Strafe, mich für ihn arbeiten zu lassen. So langsam glaube ich, dass mein Vetter mich nicht sonderlich hat leiden können - das könnte mit dem Vorfall mit dem Holzschwert zu tun haben..." Dilvar hielt grübelnd inne und nagte auf seiner Unterlippe. "Was für ein Holzschwert?", fragte Manya verblüfft und gespannt zugleich. "Nunja, wir haben früher, als wir noch Kinder waren, oft zusammen gespielt. Wenn wir nicht gerade unsere Fingerfertigkeit auf dem Marktplatz geschult haben,", Dwarusch schnaufte geringschätzig, "haben wir miteinander gekämpft. Givinor war zwar der stärkere von uns beiden, aber ich war flinker. Eines Tages tauchte ich unter seinem unpräzisen Schlag weg und schmetterte ihm mein Holzschwert gegen das Ohr. Seitdem hört er nicht mehr allzu gut und hat ein ständiges Klingeln in den Ohren. Ich weiß gar nicht, was es daran auszusetzen zu gibt. Immerhin braucht Givinor noch nicht einmal einen krähenden Hahn auf dem Schlossgelände, um morgens früh aufzustehen..."
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Beitrag von Dwarusch »

"Um zu dem Umstand zu kommen, dem ich diesen bewundernswerten Burschen hier", er klopfte gegen das Schienbein des Golems, "zu verdanken habe: Ich reiste also durch die Lande und verließ schließlich etwas verärgert meine Heimat, da ich dort ja nirgends Arbeit finden konnte. Ich begab mich nach Otar, wo mich auf dem Markt ein hochgewachsener Mann in himmelblauer Robe urplötzlich beschuldigte, ihm seinen Geldbeutel gestohlen zu haben!" Dwarusch ließ ein abgehacktes, ziemlich gehässiges Lachen verlautbaren, ein Laut mit dem er seine nicht allzu große Überraschung über den Umstand ausdrückte, dass die Vorurteile, die er gegen Halblinge hegte, anscheinend berechtigt waren. "Also seltsamerweise fand sich der fragliche Beutel tatsächlich in meiner Tasche, aber ich kann mir nicht erklären, wie er dahin gekommen ist." Dilvar machte ein trübseliges Gesicht, als wäre er ungerecht behandelt worden. "Ich sagte, dass der Mann seinen Geldbeutel vielleicht fallen gelassen und ich ihn aufgesammelt hätte. Wisst ihr, manchmal führen meine Hände ein seltsames Eigenleben... Aber Stehlen?! Nein!" Dilvar setzte eine feierliche Miene auf, wobei er die rechte Hand zum Schwur erhob. "Ich schwöre, dass ich noch niemals in meinem Leben etwas widerrechtlich an mich gebracht habe. So wahr ich Dolvar von Ebenstätten heiße!" "Dilvar", berichtigte ihn Manya, ohne den Hauch eines Lächelns. "Äääh...genau"

Nach einem kurzen Moment der Stille holte Dilvar tief Luft und setzte seine Geschichte fort. "Also dieser Mann erwies sich als Magier und suchte einen Lehrling. Ich bot mich natürlich sogleich an, die geheimen Künste der Zauberei zu erlernen, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund wies er dieses Angebot zurück. Vielleicht wollte er nicht, dass ich mich mit diesem schweren Studium abplage... Wie dem auch sei, er nahm mich dafür als Putzkraft auf! Ich folgte dem Magier - Ofnar hieß er übrigens - also zu seinem Turm in den Bergen westlich der Stadt. Die nächsten vier Jahre ging ich einer echten, geregelten Arbeit nach - das war ja so aufregend! Ich entwickelte verschiedene Putztechniken und das Experimentierzimmer Ofnars verlangte mir immer wieder neue Höchstleistungen ab. Wisst ihr, wie schwierig es ist, Brandflecken oder Dämonenkot zu entfernen? Ich habe ganz schön geschrubbt, das kann ich euch sagen! Einmal versuchte sich mein Meister an einem Zauberspruch namens Implosion. Er beschwor einen kleineren Dämon herauf und wirkte dann seine Magie. Der Unterdruck war so gewaltig, dass die Kreatur zerfetzt wurde! Ihr hättet mal sehen sollen, was das für eine Sauerei war! Ich..." Er brach ab, als er die blassen Gesichert Manyas und Elessars sah. Dwaruschs Miene konnte er nicht erkennen, denn der übergab sich gerade geräuschvoll hinter einem Busch. "Oh...vielleicht erzähle ich die Geschichte lieber ein ander Mal..."
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Beitrag von Dwarusch »

"Wo war ich?" Dilvar kratzte sich verwirrt an der Schläfe. "Ahja! Also irgendwann kam Ofnar auf die Idee, einen Golem zu bauen. Ich weiß ja nicht, was er damit anstellen wollte, schließlich hatte er doch mich!?" "Wahrscheinlich wollte er eine Putzkraft, die einem nicht das Ohr ablabert", murmelte Elessar so leise, dass es nur Dwarusch hören konnte, der - noch sichtlich blass - zustimmend nickte. "Er hatte eine seltsame Idee und wollte einen Kobold in den Golem hineinsetzen - weiß der Teufel warum! Vielleicht wollte er Intelligenz mit Muskelkraft verbinden. Obwohl...immerhin war es ein Kobold... Nun, wie dem auch sei. Eines Abends fegte ich gerade den Boden - der Meister war schon ins Bett gegangen -, als ich dieses Ungetüm erspähte. Er war erst vor zwei Tagen gebrannt worden und kühlte über Nacht ab. Ich dachte mir: 'Da drin muss es ziemlich staubig sein' Also bin ich am Arm des Golems hinaufgeklettert und habe Staub gewischt. Irgendwie muss ich dabei die Kontrollen verstellt haben, denn plötzlich schloss sich die Klappe hinter mir und ich war gefangen!"

"In heller Panik zog ich also alle möglichen Hebel und plötzlich machte es einen Rums und der Golem setzte sich in Bewegung! Ich werde nie vergessen, wie ich in gut zwanzig Meter Höhe durch die Wand des Turms gebrochen und in die Tiefe gestürzt bin! Zum Glück hatte mein Meister gute Arbeit geleistet und der Golem hielt stand. Nach einigen Experimenten hatte ich endlich heraus bekommen, wie man die Hebel und Schalter benutzen musste, doch da befand ich mich bereits auf dem Grund des Meeres. Das hättet ihr sehen sollen! Kraken so groß wie Häuser! Und Wale! Nunja, als ich schließlich die Klaren Wasser durchquert hatte, kam ich irgendwo im Süden an Land. Leider muss das Wasser irgendeine Art von Kurzschluss hervorgerufen haben, denn ich konnte die Luke nicht mehr öffnen und aus den Luftlöchern konnte ich nur schlecht kriechen. Ich zog also durch die Lande und jetzt - bin ich hier!" Dilvar strahlte übers ganze Gesicht. Einen Moment lang herrschte Stille im Lager, nur unterbrochen von dem Knistern, mit dem die lodernden Flammen gierig das Feuerholz fraßen. Dann brach Dwarusch die Verzauberung und schüttelte sich wie ein nasser Hund. "Eins ist klar: Das war die verrückteste Geschichte, die ich je gehört habe! Und jetzt werde ich ein wenig schlafen, wir müssen morgen früh los. Am besten, ihr bindet diesen Halbling an den nächsten Baum!"
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Dwarusch
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Beitrag von Dwarusch »

Dwarusch war schlecht gelaunt, sobald er erwachte. Er strampelte sich aus der Decke, die ihm bestimmt der verdammte Elf über die Schultern gezogen hatte (die Tatsache, dass er es die Nacht über schön warm gehabt hatte, überging er einfach), und rief sofort nach seinen Gefährten. Als er diese am Lagerfeuer erblickte (dieser plappernde Halbling saß auch dabei, wie Dwarusch missmutig bemerkte), schritt er sogleich in ihre Richtung und klatschte in die Hände, während er brüllte: "Wir müssen los, verdammt! Schnell, brecht das Lager ab?" Während Dilvar nur große Augen machte, fragte Manya den Zwerg etwas irritiert: "Was ist denn in Euch gefahren? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?" "Ich fühle mich ganz und gar nicht wohl! Wir sind zu langsam! Wir müssen diese verdammte Festung schneller erreichen!" "Wieso?", fragte Elessar und versuchte, einen beruhigenden Tonfall anzuschlagen. Dies schien zu wirken, denn Dwarusch hörte auf wild mit den Armen in der Luft herumzufuchteln und senkte seine Stimme vom ohrenbetäubenden Brüllen zum lauten Rufen - eine gemäßigte Lautstärke unter Zwergen. "Thor ist mir heute nacht wieder im Traum erschienen, Elf! Wir müssen uns beeilen, sonst kann ich den Auftrag meines Gottes nicht erfüllen!" Obwohl die Worte unwirsch gesprochen waren, sah Elessar doch die Verzweiflung in Dwaruschs Augen und er zögerte nicht. "Packt zusammen", wies er die anderen an. "Wir brechen auf."

"Ich halte das für keine gute Idee", meinte Dwarusch mürrisch, während er hinter seinem wallenden Bart zum Pferd des Elfen hinüberblinzelte. "Ich auch nicht unbedingt, aber wo sollten wir ihn sonst lassen?", fragte Elessar seufzend. "Auf dem Grund eines tiefen Sees!", entgegnete der Zwerg sogleich lautstark. "Verdammter Halbling!" Dilvar indess genoss den Ritt auf dem Pferd vor dem Elfen. Der Halbling war noch nie ohne Sattel geritten, er war eigentlich noch niemals überhaupt geritten und so stellte das Ganze eine interessante neue Erfahrung für ihn dar. Natürlich war er ein wenig traurig gewesen, den Golem zurücklassen zu müssen, aber er konnte das Ungetüm schlecht mit auf dem Pferd nehmen und sich wieder hineinzwängen wollte er auch nicht. Die vier Gefährten (Dilvar hob stolz den Kopf bei diesem Gedanken - er war jetzt einer von ihnen!) hatten lange überlegt, wie sie den tönernen Riesen unbrauchbar machen sollten, damit er keinen Schaden anrichtete, bis Dilvar ihm schließlich schulterzuckend befahl, zu graben. Als das ungewöhnliche Quartett ihren Lagerplatz verlassen hatte, war das Loch schon mehr als dreißig Fuß tief gewesen...

Die vier Gefährten ritten den ganzen Tag und rasteten, angetrieben von Dwaruschs Flüchen und Ängsten, nur einmal kurz um die Mittagszeit, um einen schnellen Happen zu essen und die Pferde zu tränken. Dann schwangen sie sich auch schon wieder auf den Rücken der Klepper und fielen in einen ausdauernden, meilenfressenden Galopp, der sie Stunde um Stunde näher an ihr Ziel, näher zur Festung Rogus brachte. Dilvar unterhielt seine drei Mitreisenden mit abstrusen Geschichten aus seinem Leben - oder auch nicht, wie Dwarusch argwöhnte - und Manya versprach dem Winzling, ihn im Gebrauch des kleinen Dolchs zu unterweisen, den er bei sich trug. Nachdem der Zwerg das Messer liebevoll als 'Zahnstocher' tituliert hatte, sprach Dilvar kein Wort mehr und hielt hochmütig seinen Kopf von Dwarusch abgewandt - jedenfalls so an die fünf Minuten. Dann übermannte es den Halbling wieder und er setzte zu einer neuerlichen haarsträubenden Geschichte an, die unmöglich der Wahrheit entsprechen konnte.
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Dwarusch
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Beitrag von Dwarusch »

"Ist er immer so?", fragte Dilvar den Elessar, der auf dem breiten Rücken des Pferdes hinter ihm saß. "Dwarusch?", fragte der Elf erstaunt. Als der Halbling vor ihm nickte, sah sich Elessar schnell um, bevor er darauf antwortete. Beruhigt sah er, dass Dwarusch und Manya ein ganzes Stück weiter hinten auf ihrem Schlachtross trabten, anscheinend in ein Gespräch vertieft. "Meistens", vertraute der Elf Dilvar an, nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Zwerg von dieser Unterhaltung nichts mitbekam. "Aber im Grunde ist er ein netter Kerl." Was redete er denn da? Der Halbling nickte, als ob er darüber nachdenken würde, dann fragte er: "Und was war das mit seinem Gott? Er ist doch kein Missionar oder?" Dilvar schien ob dieser Aussicht tatsächlich etwas erschreckt. Elessar lächelte, doch das konnte der mit der Halbling, dessen Rücken ihm zugewandt war, natürlich nicht sehen. "Nein, nein. Soweit ich es verstanden habe, ist er soetwas wie ein Wächter des Glaubens, ein Paladin. Und Thor - also sein Gott - hat ihn für irgend eine Aufgabe auserwählt. Ich glaube, er weiß selbst nicht so genau, worum es dabei geht, aber er glaubt, er muss so schnell wie möglich die Festung Rogus erreichen - das ist es jedenfalls, was ihm Thor im Traum gesagt haben soll."

"Sagt einmal, nur so aus Neugier, welchen Rang haben Frauen eigentlich in Eurer Gesellschaft?" Dwarusch verschluckte sich an dem Stück Dörrfleisch, das er vor wenigen Minuten aus einer Satteltasche gezerrt und beinahe vollständig verzehrt hatte. Diese Frage überraschte ihn dann doch. Er hustete kurz und hart, bis er wieder frei atmen konnte, dann strich er sich über den Bart, als würde er mit dieser Geste sein Denken beschleunigen - in Wirklichkeit versuchte er die verstreuten Krümel des Essens aus dem Gewirr aus Haaren zu befreien und abzubürsten. "Seltsam, dass Ihr fragt, ich wollte Euch schon einmal eine ganz ähnliche Frage stellen, Manya. Aber gut. Wir Zwerge sind ein anständiges Volk, nicht so wie diese schwachbrüstigen Elfen oder - Verzeiht - die verdorbenen Menschen. Wir stellen unseren Körper nicht zur Schau, vor allem nicht in der Öffentlichkeit! Es gibt Frauen bei uns, doch sie prahlen nicht damit. Jeder Zwerg ist ein Arbeiter und Diener Thors, das Geschlecht spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Weibliche Zwerge können jeden Beruf ergreifen, ja selbst König unter dem Berg können sie werden!"

"Interessant", kommentierte Manya Dwaruschs Erläuterungen. Dwarusch, der eigentlich gar nicht soviel hatte preisgeben wollen, fragte rasch: "Und wie steht es bei Euresgleichen mit der Stellung der Frau? Anscheinend können bei den Rosentemplern ja auch weibliche Menschen zu Kriegern werden - eine Tatsache, die mich im Vergleich zu den Verhältnissen in anderen Menschenstädten erstaunt. Dort hatte ich den Eindruck, dass Frauen oft wie Vieh behandelt wurden." "Eure Beobachtung ist korrekt. Die Menschen haben die Frauen Jahrunderte lang unterdrückt. Doch Ihr würdet stauen, wenn Ihr sehen könntet, wieviele weibliche Abenteuerinnen, Magierinnen und Kämpferinnen auf Providentia wandeln. Allerdings muss ich zugeben, dass auch ich in Ulsany anfangs einen schweren Stand hatte, solange ich mich nicht beweisen konnte. Doch als man meine Fähigkeiten erkannte, akzeptierte man mich. Ich weiß nicht, wie es in anderen Menschensiedlungen um diese Akzeptanz bestellt ist."
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Dwarusch
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Beitrag von Dwarusch »

Die Gefährten ritten in die Dämmerung hinein und schlugen erst ihr Lager auf, als Elessar den wie besessen in den Westen starrenden Zwerg dazu überredete, dass die Pferd in dieser Dunkelheit stolpern und sich den Hals brechen würden. Dwarusch murmelte etwas wie "verdammte Klepper", doch er war der erste, der sich am Lagerfeuer wärmte, als die flackernden Flammen über das trockene Holz leckten. Ein düsterer Schatten lag auf den vier Abenteurern, während sie einen Teil ihres Proviants verzehrten, der nun schnell schrumpfte, nachdem sie auch noch ein viertes Maul zu füttern hatten. Denn wie sich herausstellte, war Dilvar ein außerordentlich fleißiger Esser. Jede Form von Unterhaltung erstarb schon bald, als sich die Aura der Bedrohung, die sie alle spürten, ausbreitete. Manya begann damit, ihr Schwert zu schärfen, Elessar bespannte seinen Bogen neu und Dwarusch übte mit dem Halbling den Dolchkampf, da die Ritterin zu beschäftigt war. Dilvar erwies sich als außerordentlich geschickt und lernfähig, sodass es dem Zwerg schon bald nicht mehr gelang, ihn so einfach zu entwaffnen, wie zu Beginn des Abends.

Als Manya eine Beil aus ihrem Rucksack kramte und sich anschickte, in das nahe Wäldchen zu marschieren, blickte Elessar erstaunt auf. "Was hast du denn mit der Axt vor?", fragte er verblüfft und starrte Manya an, als wäre sie ein Geist. Ein Grinsen legte sich auf das sonst so ernste Gesicht der Ritterin, als sie entgegnete: "Ich muss mir eine Lanze schneiden. Mit ein wenig Glück werden wir morgen die Stadt erreichen und ich will den Wachen auf den Mauern zu verstehen geben, dass ich ein Mitglied der Rosentempler bin." Dass sie befürchtete, die Lanze am nächsten Tag nicht nur zur Befestigung eines Wimpels einsetzen zu müssen, erwähnte sie nicht. Bald schon kam sie mit einem gut drei Meter langen Stück Holz zurück und machte sich mit grimmiger Inbrunst daran, das elastische Holz zurecht zu schnitzen. Am Ende befestigte sie die Stahlspitze, die sie aus ihrer Heimstatt mitgebracht hatte, am einen Ende der Lanze und betrachtete zufrieden ihr Werk. Kurz darauf teilten die vier die Wachen ein und gingen zu Bett.

"Und ich schwöre dir: Gestern hatte ich noch einen ganzen Käse in meinem Rucksack!" Dwarusch warf Dilvar einen argwöhnischen Blick zu, der sich schnell abwandte, angeblich, um seine wenigen Habseligkeiten zusammen zu packen. "Scheint so, als hätten uns heute Nacht einige Mäuse belästigt", bot Manya ohne die Spur eines Lächelns dem Zwerg eine Erklärung an. Im Hintergrund unterdrückte Dilvar einen ausgewachsenen Kicheranfall. Schnell war das Lager abgebrochen und die Gefährten auf dem Rücken ihrer Pferde, eine spürbare Dringlichkeit saß nunmehr allen vier im Nacken und trieb sie zu größter Eile an.
Am Nachmittag erklommen sie erschöpft und mit schweißnassen Pferden eine Anhöhe und blickten von der Kuppe in ein fruchtbares Tal hinab. Im Zentrum, umgeben von (merkwürdigerweise verlassenen) Bauernhöfen erhob sich die Festung Rogus wie ein glitzerndes Juwel, ihre weißen Mauern reflektierten den strahlenden Sonnenschein. "Geschafft", schnaufte Dwarusch zufrieden und ließ einen zufriedenen Seufzer vernehmen.

Das ungewöhnliche Quartett wollte gerade zum Trab in die Senke ansetzen, als Elessar plötzlich sein Pferd wendete, sodass Dilvar fast hinunter gefallen wäre. Der Elf nahm den Bogen vom Rücken und rief Manya und Dwarusch zu: "Der gehört mir!" Was er meinte, wurde den beiden schnell klar, denn sie sahen nahe eines dichten Gehölzes einen der riesigen Bergwölfe, auf dessen Rücken ein stämmiger Goblin saß. Der Zwerg und die Ritterin blieben zurück, während Elessar mit einer fließenden Bewegung einen Pfeil zog und den Bogen spannte. Der Goblin bemerkte den herandonnernden Elf und trieb sein Reittier an, zu wenden. Er verschwand hinter der nächsten Hügelkuppe und Elessar wenige Augenblicke später ebenfalls.
Dwarusch und Manya warteten eine Weile, dann hörten sie Hufschlag und Elessars Pferd tauchte erneut auf. "Ich hatte mich schon gefragt, was du...", begrüßte Dwarusch den Elf, brach aber ab, als er sah, wie Elessar sein Pferd zu größter Eile antrieb. Dilvar, der vor ihm saß, hatte die Augen weit aufgerissen und zitterte unkontrolliert. "Zur Festung! Schnell!", rief Elessar aus vollem Hals, seine Stimme bebte. In diesem Moment stampfte die Armee Grathas über den Hügel und ergoss sich ins Tal.
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Ephirnion
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Spielleiter

Dwarusch hat also letztendlich doch noch die Festung Rogus erreicht und wer hätte gedacht, dass er mit so vielen Begleitern in die Festung einmarschiert. Doch was ihn hier erwartet scheinen nur die Götter zu wissen. Seltsam, dass sich die Zwerge so auf den kampf gegen Goblins freuen, aber wieder einmal scheint Dwarusch allen Erwartungen an einen Zwergen gerecht zu werden.
Tatsächlich marschieren in diesem Augenblick tausende von Goblins auf die Festung zu - mit nur einem inzigen Ziel: Die Mauern zu erklimmen, sich in die Stadt zu ergießen, jeden Kämpfer zu töten und Rogus die Macht über die Saalische Ebene zu entreißen und jeden Überlebenden zu versklaven.

Spielleiter Ende
Veris dulcis in tempore
Florentis stat sub abore
Nymphenzeit
Gesperrt

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