Was bezwecke ich mit diesem Thema? Kurze Antwort: Ich weiß es nicht.

Aber alles der Reihe nach:
Das Rollenspielgenre hat sich über die Jahre ja stark gewandelt. Heute bekommt man kaum noch "reinrassige" Rollenspiele - was immer man darunter versteht. RPG-Mechaniken wurden stattdessen zu einer Art Gewürz und nahezu jedes Spiel, jedes Genre, egal ob Shooter, Prügelspiel, selbst Puzzlespiele haben sie drin, um das Gameplay anzureichern.
Angefangen hat das, IMO, beim erhöhten Aufkommen der actionlastigeren Rollenspiele, wie z.B. Diablo. Laut Definition ein Rollenspiel, um genau zu sein aus dem Subgenre der Hack'n Slay. Wohl definitiert, von der Allgemeinheit akzeptiert - und trotzdem schwingen heute noch Rollenspieler ihre Mistgabeln und wollen nicht, dass man dieses Spiel - oder andere Vertreter seiner Art - als Rollenspiel betitelt. Verglechbar wäre das mit einem SUV-Fahrer, der nicht möchte, dass man einen Smart als Auto bezeichnet, weil man fürchtet, dass dadurch das eigene Gefährt an Wert verliert.
Mit Aufkommen der 3D-Grafik und besserern Rechnern, verlagerte sich der RPG-Fokus auch immer mehr Richtung Echtzeit und Action. Zum einen, weil sich das besser verkaufte - zum anderen, weil man es nun konnte. Viele der alten RPGs waren so wie sie sind, nicht, weil das die beste Darstellungsart ist, sondern weil man sie nicht anders zu der Zeit darstellen konnte.
Es folgten viele Diablo-Klone und ein starker Action-Fokus, u.a. verstärkt durch folgenden Teufelskreis: Videospielkonsolen wurden eingeführt, Gaming entwickelte sich zum Massenphänomen und war kein Nischenhobby mehr. Den Massenmarkt kann man am besten mit Action ansprechen (bzw. wie Marc sagen würde: Klicki-Klicki-Bunti), der Massenmarkt wächst, die Konsolen wachsen, Nischengenres gehen ein.
Irgendwann gab es ein Aufflammen der Oldschool-Rollenspiele. Plötzlich erschienen Legend of Grimrock, über Kickstarter finanzierte sich Pillars of Eternity und Wasteland 2 und auch Ubisoft versuchte da mitzumischen, doch dazu später.
Heute hat sich das alles relativiert:
Wir haben Hack'n Slays wie Borderlands, wir haben sehr gute RPGs im Rundenmodus wie Divinity: Original Sin, wir bekommen einen Nachfolger von Baldur's Gate und haben mit Pathfinder: Kingmaker einen sehr guten Klon. Wir haben RPGs mit Actionfokus und einer starken Story und audiovisuellen Präsentation wie Nier: Automata und wir haben sogar ein neues Subgenre, angeführt von Dark Souls und Co, welches ziemlich erfolgreich die Atmosphäre (Wir / Ich bin allein in einer feindlichen Welt, ich muss meine Fähigkeiten meistern um zu überleben) alter Rollenspiel-Crawler in ein modernes Korsett presst.
Was wir jedoch nicht haben, sind First Person Gruppen-RPGs. Abgesehen von dem kurzen Aufleben um Grimrock rum, sowie diversen Vertretern aus Japan, scheint der Westen daran kein großes Interesse zu haben.
Leider haben ausgerechnet die großen Publisher kein großes Interesse mehr an "normalen" RPGs. Denn mit RPGs lässt sich zwar etwas Geld verdienen - aber nicht *alles* Geld.
Beides führt mich zu Might and Magic führt:
M&M war zu DOS-Zeiten ein innovativer Vorreiter - technisch wie inhaltlich. Might and Magic 3 hatte VGA Grafik (wow!), eine Minimap (WOW!) und Sprachausgabe, auch über PC-Speaker (Wowwwschhh *rausch*). Might and Magic 4 und 5 konnten zu *einem* Spiel verbunden werden und hatte deutsche Sprachausgabe (fragwürdiger Qualität). Doch dann kam 3DO.
Might and Magic 6 wurde von Presse und Spielerschaft noch recht gut aufgenommen. Das Spiel bot eine riesige Welt, die man frei bereisen kann - und da lange bevor "Open World" ein wirkliches Ding bei Games war. Aber: Im Spiel steckte noch jede Menge Oldschool. Die Story und die Welt waren nur zweckmäßig. Manche Dungeons in M&M6 liesen selbst Hack'n Slays wie Diablo alt aussehen. Was machen z.B. 200 Zwerge in diesen einem Raum in den Zwergenminen? Auch andere Dungeons waren bis zur Unglaubwürdigkeit vollgestopft mit Monstern. Das Gameplay war wichtig, so Dinge wie eine glaubwürdige Welt, Lore, Story etc.... daran dachte man früher nicht.
Da 3DO jedes Jahr einen neuen Teil wollte, kamen jede Menge minderwertiger Spin-Offs, sowie M&M 7 und 8 raus. Beides wurde nicht mehr ganz so toll von der Presse angenommen. Das Gameplay wurde nicht weiterentwickelt und technisch waren die Spiele auch aus damaliger Sicht schwach. Wir erinnern uns an den Hardwaremodus, der keine unterschiedlich farbigen Sprites darstellen konnte. Möh.
M&M 9 scheiterte schließlich aufgrund fehlender Finanzen von 3DO - und Jon van Caneghem tat wohl sein bestmöglichstes, um die Moral beim Entwickler zu untergraben. Laut Berichten zu der Zeit, tauchte er wohl nur selten während der Entwicklung von Heroes 4 und MM9 auf - und wenn er das tat, dann war er im Grunde nur am motzen.
Tja und heute? Ubisoft happened. Mal abgesehen von dem schnell und billig zusammengeschusterten M&M10 haben wir nichts bekommen. Überhaupt hat Ubisoft kein großes Interesse an Rollenspielen - außer man bezeichnet Assassin's Creed: Odyssey tatsächlich als Rollenspiel. Problem: Ubisoft hat generell kein Interesse mehr an klassischen Games, wo man Gewinn durch viele Verkäufe erzielt. Stattdessen setzen sie voll und ganz auf sogenannte "Live Services". Also Spiele, die den Spieler so lange wie möglich zum Spielen motivieren wollen, indem regelmäßig neue Inhalte nachgereicht werden. Klingt gut? Tja, falsch, denn der Spieler soll nicht nur spielen, sondern auch Geld im Mikrotransaktionsstore ausgeben, wo man neue Waffen, Erfahrungsbooster und Kostüme kaufen kann. Für neue Inhalte wird man natürlich auch gerne zur Kasse gebeten. Zwar ist Ubisoft mit dem Schema bei ihrem letzten Release auf die Schnauze gefallen, aber sie, und andere Publisher, setzen das Konzept weiterhin fort.
Kurzum: Von Ubisoft braucht man nichts mehr in Richtung Might and Magic-RPG zu erwarten.
Was schade ist. Denn wenn Ubisoft damit zufrieden wäre, nur *etwas* Gewinn zu machen, dann liese sich sicherlich einiges aus der Reihe rausholen. Da aktuell alles ein Remaster und Remake bekommt, könnte ich mir z.B. gut ein Remake von World of Xeen vorstellen - release auf PC und Konsole. Sowieso fragwürdig, wieso M&MX keinen Konsolenrelease bekommen hat - denn auch hier hat sich einiges getan. Wenn sogar Strategiespiele wie Civilization oder Age of Wonders auf die Konsole gewuchtet werden, dann wäre M&M da sicherlich auch nicht verkehrt.
Abschließend sei noch gesagt, dass Oldschool-Rollenspiele weiterhin ein Risikogenre bleiben. Sowohl Wasteland 2, als auch Pillars of Eternity waren finanziell keine Selbstläufer. Pillars of Eternity 2 soll sich hundsmiserabel verkauft haben, was dazu führte, dass beide Entwickler nun under Microsofts Flagge schippern. Prost Mahlzeit. Larian war mit Divinity: Original Sin 2 jedoch über alle Maßen erfolgreich - und btw, auch das wurde auf Konsole geportet.
Auch Indieentwickler fahren, begünstigt durch ihre kleinen Teams, überschaubare Erfolge, wie z.B. die Macher von Vaporum oder das oben genannte Pathfinder: Kingmaker. Aber in allen Fällen sind das entweder Top-Down / Iso-Spiele - oder Einzelhelden-Crawler. Wie oben geschrieben: First Person und Gruppe? Gibt's heute im Westen eigentlich nicht mehr.
So... mehr fällt mir dazu nicht ein. Vielleicht könnt ihr ja was beitragen.
Wie verbunden fühlt ihr euch überhaupt noch zu Videospielen, oder dem Genre der Rollenspiele? Spielt ihr überhaupt noch Neuerscheinungen (im weitesten Sinne) oder meint ihr, dass ihr bereits genug gesehen habt und euch die aktuellen Produktionen nicht mehr abholen? Was *wünscht* ihr euch überhaupt noch von einer neuen Produktion - und wie bereit seit ihr, aus eurer Komfortzone auszubrechen und neues auszuprobieren?
Ich spiele z.B. regelmäßig mit einem Bekannten "älteren" Baujahrs (geht auf die 60 zu) und obwohl er immer noch aktiv daddelt, hat er, laut eigener Aussage, leichte Motivationsprobleme im RPG-Genre, da alles nur der gleiche Einheitsbrei war. Durch mich kam er dann auf Spiele wie Darkest Dungeon, Divinity: Original Sin und Dark Souls und die Motivation brannte wieder auf. Sowohl wegen der Atmosphäre, aber auch, weil er wieder akribisch seinen Charakter planen durfte. Dass die letzten beiden Titel zudem auch im Mehrspieler funktionierten, also im Coop, war ein Bonus. Aber auch Persona 5 fand er hervorragend - wobei er generell schon ein Faible für die japanische Kultur hatte und dies sein erstes richtiges JRPG war (mit Final Fantasy wurde er dagegen nicht warm).
Äh, ja jetzt aber. Schreibt was. Irgendwas.
