Mindestlohn

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Dignon
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Mindestlohn

Beitrag von Dignon »

hallo

könnte mir mal einer (oder mehrere... bin da ganz unvoreingenommen) eine (möglichst objektive) erläuterung zum Mindestlohn geben? wenn möglich auf einer ebene die ein 18 jähriger politik- und wirtschafts-grundkursler verstehen kann...
oft höre ich die leute dagegen wettern, aber was wird er denn für auswirkungen haben? und warum ist das schlecht? ist es das denn überhaupt??


lg dignon
es ist besser einmal geliebt und verloren zu haben. als niemals geliebt zu haben



wie war. und wie schmerzhaft.
Nadine26
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Beitrag von Nadine26 »

Hmm is schwer... ich hab nun beide Seiten vor Augen...
Mindestlohn ist zwar für den Arbeitnehmer gut, weil er dann dementsprechend bezahlt wird, was ihm auch zusteht. Und er sich nich jeden Morgen, wenn er aufsteht, fragt, wofür er das ganze eigentlich macht. Und es ihm doch besser gehen würd wenn er daheim wäre, weil er da genausoviel, wenn nicht oft sogar mehr bekommt als ein Arbeitnehmer.
Aber andererseits können viele Arbeitgeber das einfach nicht bezahlen, weil es ihnen den wirtschaftlichen Ruin kosten würde. Klar bei großen Firmen, die eh gewerkschaftlich organisiert sind isses mitunter kein Thema... aber grad die kleinen privaten Unternehmen, wo es nur ein oder 2 Angestellte gibt. Da dreht sich die Welt oft ein wenig anders.

Wenn man es so nimmt ist der Mindestlohn für den Arbeitgeber schlecht und für den Arbeitnehmer gut. ^^
Selbst wenn der Mindestlohn veranktert ist in irgendwelchen Gesetzen und du als Arbeitnehmer drauf pochst, aber der Arbeitgeber dir das einfach nicht zahlen kann... was ist dann?
Ich weiß gar nicht inwiefern er wirklich Pflicht ist und es Strafen hagelt, wenn er nicht eingehalten wird. Aber wenn es so ist, werden weniger Leute eingestellt.. noch mehr Arbeitslose.. deshalb wird dagegen gewettert.

Ein plausibles Beispiel...
Du ackerst zb seit 2 Jahren bei deinem Chef und merkst, dir würden ja 2 Euro/Stunde mehr zustehen. Du gehst zu deinem Chef, der vielleicht noch Verständnis hat und mit sich reden lässt und er sagt zu dir... Ja mein lieber Junge, wenn ich das könnte, würd ich es dir zahlen... aber wenn ich das tät, würdest du vielleicht n halbes Jahr hier sein, aber dann müsst ich dich kündigen, weil die Kosten einfach zu hoch sind und sie mich wirtschaftlich weit nach hinten werfen, wenn nicht sogar den Ruin bedeuten. Was würdest dann machen??
Es gibt Tage, da verliert man und es gibt Tage, da gewinnen die anderen!
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Gobo
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Beitrag von Gobo »

Das kann man so pauschal nicht sagen. Zahlreiche Beispiele zeigen genau das Gegenteil- der Mindestlohn hat in vielen anderen Ländern keine Jobs gekostet sondern teilweise sogar genau das Gegenteil bewirkt.

http://www.labournet.de/diskussion/arbe ... hn-eu.html
Keine Jobverluste durch britische Lohnuntergrenze

„Großbritannien hat 1999 einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt und ihn seitdem mehrfach angehoben. Arbeitsplätze hat das nicht gekostet, zeigt eine Studie der London School of Economics. Der britische Mindestlohn erfasste zum Zeitpunkt seiner Einführung 1999 rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer. Nachdem er sieben Mal erhöht wurde, liegt er derzeit bei 7,94 Euro und gibt den Stundenverdienst für etwa 2 Millionen Arbeitnehmer vor. Der Mindestlohn hat den Lohnabstand von Geringverdienern zu den übrigen Beschäftigten sowie zwischen Männern und Frauen eingedämmt…“

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/meldung188414.html
Kaum Unterschiede bei Mindesteinkommen in alter EU

Mit Ausnahme von Luxemburg, ist das Niveau in den Länder der alten EU dabei nicht so unterschiedlich: Die garantierten Mindesteinkommen liegen zwischen 1100 Euro in Großbritannien und 1250 in den Niederlanden. Das läuft auf Stundenlöhne hinaus, die sich um acht Euro bewegen.

Und die Erfahrungen, die unsere europäischen Nachbarn damit gemacht haben, scheinen völlig unproblematisch: Auch das sehr wirtschaftsliberale Großbritannien, wo man ansonsten auf höchste Flexibilität am Arbeitsmarkt setzt, hat mit dem Konzept des Mindestlohns keine Schwierigkeiten. Ebenso wenig die Gewerkschaften der Nachbarländer – ihnen ist der Spatz in der Hand, also ein Mindestlohn für alle unqualifizierten Arbeitnehmer, offenbar lieber als die Taube auf dem Dach. Letzteres wäre ein teilweise höheres Grundeinkommen, die für bestimmte Wirtschaftsbereiche vereinbart werden könnten.

http://idw-online.de/pages/de/news244144[quote]
In den mittel- und osteuropäischen Staaten sind die Mindestlöhne absolut am niedrigsten. Allerdings holen die meisten dieser Länder langsam, aber kontinuierlich auf. So wurden die Lohnuntergrenzen, in Polen, Bulgarien und Rumänien sowie in den baltischen Staaten im Jahresvergleich um 20 bis 33 Prozent angehoben. In der Slowakei, Ungarn und Slowenien liegt die Steigerungsrate zwischen gut drei und fast sieben Prozent, lediglich in Tschechien gab es keine Anhebung. "Der Realwert des Mindestlohns ist in den mittel- und osteuropäischen Ländern deutlich gestiegen. Das dokumentiert den anhaltenden wirtschaftlichen Aufholprozess der Region", sagt Tarifexperte Schulten. "Die weite Verbreitung und die regelmäßigen Erhöhungen zeigen, dass Mindestlöhne in der großen Mehrheit der europäischen Staaten als Erfolgsmodell gesehen werden."[/quote]

Und ganz ehrlich- mir ist kein einziges Beispiel bekannt, wo ein Mindestlohn in Existenzsichernder Höhe sich negativ auf Arbeitsmarkt und Konjunktur ausgewirkt hat, ausser vielleicht in der Umstellungsphase in den ersten 1-2 Jahren nach Einführung.
Ein angemessener Mindestlohn stärkt den Binnenmarkt durch die höhere Kaufkraft der Arbeitnehmer, deshalb werden Dienstleistungen vermehrt in Anspruch genommen, die man sich ansonsten gar nicht hätte leisten können, und insgesamt wird der private Konsum angekurbelt. Zudem spart der Staat jede Menge Sozialleistungen an die Menschen, die trotz Vollzeitarbeit nicht das Existenzminimum erreichen.
Für den Export fällt ein Mindestlohn für die meisten (Industrie-) Güter kaum ins Gewicht, da die Lohnkosten hier im Vergleich zu Forschung, Entwicklung und anderen Faktoren meist nur im einstelligen Prozentbereich rangieren.

Irgendwo hatte ich mal nen Link zu nem Bericht über ein "Experiment" in den USA- da wurde der Mindestlohn in einer kleinen Region begrenzt erhöht, während er im Umland niedriger blieb (ich kann mich aber leider grade nicht an die genauen Umstände erinnern :( ) Nach wenigen Monaten war die Arbeitslosigkeit in der betreffenden Region deutlich gesunken und damit niedriger als im Umland, obwohl sie vorher etwa gleich war.
Vielleicht finde ich den Bericht nochmal, dann setz ich den Link hier rein.

Wenn mans mal so allgemein betrachtet geb ich mehr auf praktische, teils jahrzehntelang gemachte Erfahrungen in zig anderen Ländern als auf die Unkenrufe einiger Bosse, die ihre Felle davonschwimmen sehen.
Übrigens fordert auch der Verband der Zeitarbeitsfirmen einen gesetzlichen Mindestlohn, um Lohndumping einen Riegel vorzuschieben.
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Beitrag von Chris_TG »

Was übrigens kaum jemand weiß: Die Firma PIN war schon vor der Einführung des Mindeslohns insolvent. Der Mindestlohn war nun aber ein gefundenes Fressen für die Manager, vor ihrer Unfähigkeit und Misswirtschaft abzulenken.
Fakt ist: Die Insolvenz wäre auch ohne Mindestlohn sehr bald angemeldet worden. Das Ganze ist nur als wirtschaftspolitisches Druckmittel instrumentalisiert worden.

Persönlich betrachtet, frage ich mich ob da nicht prinzipiell schon etwas sehr falsch in Deutschland läuft, wenn es möglich ist, eine ganze Unternehmensstruktur auf der Ausbeutung von Arbeitnehmern aufbauen zu können. Denn Leute für 4-5€ die Stunde arbeiten zu lassen, ist Ausbeutung. Abgesehn davon, dass das unsozial hoch drei ist, kann man davon nicht leben. Zumindest nicht in unserem Land.
Ich finde es irgendwo schlimm, dass wir überhaupt schon soweit sind, dass der Staat gezwungen ist, hier regulierend einzugreifen. Daran sieht man aber mal, wie wenig Macht die Gewerkschaften überhaupt noch haben. Kein Wunder, bei dem Klüngel aus Wirtschaft & Politik...
Ach, ich höre lieber auf... sonst ärgere ich mich nur wieder....

Gruß,
Chris
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Beitrag von Gobo »

Persönlich betrachtet, frage ich mich ob da nicht prinzipiell schon etwas sehr falsch in Deutschland läuft, wenn es möglich ist, eine ganze Unternehmensstruktur auf der Ausbeutung von Arbeitnehmern aufbauen zu können. Denn Leute für 4-5€ die Stunde arbeiten zu lassen, ist Ausbeutung. Abgesehn davon, dass das unsozial hoch drei ist, kann man davon nicht leben. Zumindest nicht in unserem Land.
Der Witz an der Sache ist, dass unterm Strich keine Arbeitsplätze verloren gehen, wenn PIN die Pforten schließt- sie werden halt in andere Unternehmen verlagert. NOCH trägt sich unsere Post nicht von alleine aus, und das gleiche gilt für eine Menge anderer Dienstleistungen.
Wenn der Markt weder die erforderliche Menge an Kunden, noch die benötigten Preise hergibt, um das benötogte Personal angemessen zu entlohnen, dann stimmt was mit der Unternehmensstruktur nicht- im Zweifel gibts dieses Angebot eben in zu großer Masse, und normalerweise würde sich der Markt bei Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe von selbst bereinigen.
Tut er aber derzeit nicht, weil die Arbeitsmarktreformen geradezu zum Lohndumping einladen- wer einen Job wegen zu geringer Bezahlung ablehnt, dem wird mal eben die Existenzgrundlage entzogen, und viele Chefs tun Bedenken wegen der Lohnhöhe schon im Vorstellungsgespräch mit einem Fingerzeig zum Arbeitsamt ab.
Objektiv ist der Arbeitnehmer gezwungen, auf solche Angebote einzusteigen. Es zwingt den Arbeitgeber aber niemand- bestenfalls sein subjektives Empfinden- eine unrentable Firma weiter am Laufen zu halten.
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Beitrag von Thies »

Oh, das Thema Mindestlohn wird sicherlich noch Jahre kontrovers diskutiert werden. Warum?
Gobo hat geschrieben:Das kann man so pauschal nicht sagen. Zahlreiche Beispiele zeigen genau das Gegenteil- der Mindestlohn hat in vielen anderen Ländern keine Jobs gekostet sondern teilweise sogar genau das Gegenteil bewirkt.
Genau deswegen!!! Sorry, Gobo, ist jetzt nicht böse gemeint, aber hier liegt das Hauptproblem:

Wir nehmen komplexe Volkswirtschaften und greifen uns einen kleinen Baustein heraus und nehmen diesen dann als Grundlage, um unsere Thesen zu beweisen. Das funktioniert aber leider nicht so einfach.

Ja, UK und Holland haben Mindestlohn und es funktioniert. Dabei wird aber z.B. in UK ein wichtiger zweiter Punkt vergessen: die haben bei weitem keinen so hohen Kündigungsschutz wie wir in Deutschland. Natürlich kann ein Arbeitgeber dann Mindestlohn zahlen, wenn er entsprechende Aufträge hat, denn er weiss, dass wenn die Aufträge wegbrechen, dann kann er die Mitarbeiter schnell entlassen und so seine Kosten auch wieder reduzieren. In Deutschland ist da ein Problem.

Holland ist auch sehr interessant. In Deutschland wird immer gegen Zeitarbeitsfirmen geschimpft, weil die so niedirgen Löhne zahlen würden (was im sog. Helfergeschäft leider auch stimmt). In Holland, wo es einen Mindestlohn gibt, ist der Anteil der Zeitarbeitsfirmen deutlich höher! Komisch was, insbesondere da dort auch der jeweils branchenbezogene Mindestlohn gezahlt werden muss!!! Denn auch hier gilt: Fallen für den Arbeitgeber die Erträge weg, kommt er schneller aus dem Arbeitsverhältnis raus.

Nehmen wir als Bsp. mal die Friseurin in Deutschland. Ich weiss das rein zufällig etwas genauer, weil meine Frau als Friseurin angestellt ist, was dort verdient wird. Wenn da der von den Gewerkschaften geforderte Mindestlohn von 7,50 Euro gezahlt wird, hätte das zur Folge, dass wir ca. das dreifache bezahlen müssten (wegen Lohnnebenkosten etc.). Die Folge wäre, dass noch deutlich mehr Menschen ihre Haare "schwarz" machen lassen würden. Also weniger Einnahmen und somit weniger Personal. Meine Befürchtung ist, dass dann die Friseure keine Mitarbeiter mehr einstellen, sondern die Plätze "vermieten" an selbstständige Friseure, die dann von dem Mindestlohn gar nicht mehr getroffen wären. Ergebnis: Katastrophe.

Ich bin gegen einen Mindestlohn, weil das Ergebnis aus meiner Sicht nicht das wäre, was es versprechen soll. Es klingt schön und verspricht viel, ohne es wirklich zu halten, wenn parallel nicht die anderen Rahmenbedingungen (Kündigungsschutz, Lohnnebenkosten etc.) auch angepasst werden. Aber das will man in Deutschland - zu Recht - auch nicht.

Es gibt eine Alternative (sorry, wenn ich jetzt parteipolitisch werde): das liberale Bürgergeld. Das ist eine negative Einkommenssteuer. Wenn jemand weniger als ein festzulegendes Mindestvolumen verdient, dann bekommt er in Form einer negativen Steuer einen Ausgleich. Wichtig dabei ist aber - als Anreiz, damit man arbeitet - dass der tatsächliche Lohn nur anteilig angerechnet wird, damit man definitiv mehr hat, als wenn man nicht arbeitet. Insgesamt hat das drei Vorteile:

1. Man erhält mehr als ein Arbeitsloser
2. Es gibt nicht dutzenden von Sozialleistungen, die man kaum überblicken kann, sondern nur noch eine Stelle, das Finanzamt
3. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zahlen weiterhin in die Sozialsysteme ein, so dass unser Sozialsystem entlastet wird.

CU

Frank-Andre
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Beitrag von Chris_TG »

Lieber Frank-André,

im Prinzip hättest Du Recht, leider übersiehst Du ein paar wichtige Punkte:

- Von 4€ die Stunde kann man als Alleinverdiener in Deutschland nicht über die Runden kommen. Also erhalten diese Leute weiterhin vom Staat Zuschüsse. Trotzdem "belegen" diese Leute eine Vollzeitstelle, von der die Staatskasse normalerweise durch Lohnsteuer etc. profitieren sollte. Also zusammengefasst: Finanziell vom Staat nach wie vor abhängig und Vollzeitstelle trotzdem belegt!

- Schon heute ist das Thema Altersarmut im Gespräch. Wenn unser Rentensystem so bleibt wie es ist, dann werden diese Leute im Alter alle am Hungertuch nagen, denn das einzige was derzeit zählt, sind die Arbeitsjahre und der Bruttolohn. Und da können diese Leute nicht wirklich punkten - im wahrsten Sinne des Wortes!

- Wie ich bereits schrieb: Wenn es in Deutschland möglich ist, Unternehmen zu gründen, welche auf der Basis der Ausbeutung ihrer Angestellten funktionieren, dann ist hier etwas faul! Dass ein Mindestlohn nicht die beste Lösung ist, ist uns allen hier klar, denke ich. Aber im Moment gibt es für die Betroffenen keine wirkliche Alternative.

- Ich bleibe dabei: Es darf in einem Staat mit einer sozialen Marktwirtschaft nicht sein, dass Leute für Beträge arbeiten, von denen man seine Lebenshaltungskosten nicht decken kann! Dabei ist es scheissegal, wie qualifiziert eine Arbeit ist. Ich sehe es bspw. auch nicht ein, wieso Pflegekräfte mit Hungerlöhnen abgespeist werden. Leute, die sich direkt für das soziale System einsetzen und damit der Gemeinschaft dienen, sollten auch entsprechend entlohnt werden. Nicht zuletzt, weil das ein harter und nicht selten schmutziger Job ist den mit Sicherheit nicht jeder hier machen würde.

Gruß,
Chris

PS: Das Bürgergeld wird niemals kommen! Das ist seit Jahrzehnten im Gespräch. Ich weiß nicht, welche Interessengruppen dagegen schießen, aber es wird seit eh und jeh abgeblockt. Genau wie es niemals ein zentrales Schulsystem geben wird, leider...
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Beitrag von Gobo »

Thies hat geschrieben: Genau deswegen!!! Sorry, Gobo, ist jetzt nicht böse gemeint, aber hier liegt das Hauptproblem:

Wir nehmen komplexe Volkswirtschaften und greifen uns einen kleinen Baustein heraus und nehmen diesen dann als Grundlage, um unsere Thesen zu beweisen. Das funktioniert aber leider nicht so einfach.

Ja, UK und Holland haben Mindestlohn und es funktioniert. Dabei wird aber z.B. in UK ein wichtiger zweiter Punkt vergessen: die haben bei weitem keinen so hohen Kündigungsschutz wie wir in Deutschland.
Es ist doch nichts in Stein gemeißelt- Gesetze kann man ändern und anpassen.
Dieses Land bräuchte in einigen Bereichen dringend ein Update- angefangen vom maroden Schulsystem und dessen mangelhafte Finanzierung ( hier ist vor 2 Jahren in den Weihnachtsferien die Decke in ein Klassenzimmer einer Grundschule gestürzt- Mängel waren lange bekannt, aber die Sanierung wollte keiner zahlen- um nur mal ein Beispiel zu nennen) über diese unsäglichen "Mini- Jobs" (mir fallen aus meinem Bekanntenkreis aus dem Stehgreif mindestens ein Dutzend Leute ein, die im Rahmen dieser Regelung 30 Wochenstunden und mehr arbeiten, wenn ich ein wenig überlege, sicherlich noch einige mehr), Rentensystem, usw..
Ich sehe kein Problem darin, das Arbeitsrecht grundlegend zu reformieren- nur bitte nicht schon wieder nur einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer.
Natürlich kann ein Arbeitgeber dann Mindestlohn zahlen, wenn er entsprechende Aufträge hat, denn er weiss, dass wenn die Aufträge wegbrechen, dann kann er die Mitarbeiter schnell entlassen und so seine Kosten auch wieder reduzieren. In Deutschland ist da ein Problem.
Dann sollte man solche Probleme mal angehen- aber dabei auf Ausgewogenheit achten.

Holland ist auch sehr interessant. In Deutschland wird immer gegen Zeitarbeitsfirmen geschimpft, weil die so niedirgen Löhne zahlen würden (was im sog. Helfergeschäft leider auch stimmt). In Holland, wo es einen Mindestlohn gibt, ist der Anteil der Zeitarbeitsfirmen deutlich höher! Komisch was, insbesondere da dort auch der jeweils branchenbezogene Mindestlohn gezahlt werden muss!!! Denn auch hier gilt: Fallen für den Arbeitgeber die Erträge weg, kommt er schneller aus dem Arbeitsverhältnis raus.
Wie gesagt- auch darin sehe ich kein Problem. Die Arbeitslosigkeit in den Niederlanden ist recht niedrig seit der Arbeitsmarkt reformiert wurde, Langzeitarbeitslose zählen da mittlerweile fast zu den aussterbenden Arten ;)
Nehmen wir als Bsp. mal die Friseurin in Deutschland. Ich weiss das rein zufällig etwas genauer, weil meine Frau als Friseurin angestellt ist, was dort verdient wird. Wenn da der von den Gewerkschaften geforderte Mindestlohn von 7,50 Euro gezahlt wird, hätte das zur Folge, dass wir ca. das dreifache bezahlen müssten (wegen Lohnnebenkosten etc.). Die Folge wäre, dass noch deutlich mehr Menschen ihre Haare "schwarz" machen lassen würden.
Vielleicht- vielleicht auch nicht.
Zum einen hätten viel mehr Menschen überhaupt erstmal ein wenig Geld übrig, das sie zum Friseur tragen können- ich z.b. war seit mindestens 7 Jahren bei keinem Friseur mehr. Aber nicht, weil ich zu geizig bin oder die Preise zu hoch finde, eher im Gegenteil- bei manchen wundert man sich inzwischen, wie die ihre Mieten zahlen können- aber ich hab das Geld dafür einfach nicht über. Also schneid ich eben selbst.
Und von Schwarzarbeit müssen beide Seiten was haben- die Friseuse wird nach einer harten Arbeitswoche wohl kaum auch noch den ganzen Sonntag mit Haare schneiden verbringen, wenn sie es nicht unbedingt muss. Zumindest wird sie es nicht für weniger Geld tun, als sie in ihrem Hauptjob verdient- also wird auch Schwarzarbeit teurer. Überhaupt wird die meiste Schwarzarbeit im privaten Bereich inzwischen nur deswegen ausgeübt, weil viele Leute von dem, was sie verdienen kaum leben können, sich aber nicht der Schmach Hartz4 aussetzen möchten- das kann ich mehr als gut verstehn.
Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich aber dann doch lieber in den Salon setzen, und von der Kopfhautmassage beim Waschen bis zum Fönen alles mitnehmen- gerade Frauen sehn da nicht nur die neue Frisur, sondern auch das drumherum.

Wenn ich mich jetzt mal so umschaue- in den Nachbarorten im Umkreis von 10 km gabs vor 7 Jahren als ich hergezogen bin für rund 15.000 Menschen vielleicht 11-12 Salons. Inzwischen gibts in der Kleinstadt mit 6000 Einwohnern allein 17 Friseure, 4 davon an der Hauptstraße auf einem Straßenabschnitt von nicht mal 100 Meter. Im direkten Nachbarort gibts für 900 Einwohner mittlerweile ebenfalls 3 Friseure, in den anderen Dörfern rundherum sprießen sie auch wie die Pilze aus dem Boden. Fast alle davon werden auch noch mit Bundesmitteln gefördert- mal davon abgesehn, dass die Angestellten auch noch von Staat bezuschußt werden. Hirnrissiger gehts wohl kaum noch, denn seitdem schreitet das Lohn- und Preisdumping immer schneller voran. Die alteingesessenen Friseure mit vernünftigen Preisen und Löhnen haben inzwischen alle das Handtuch geworfen, weil sie sich daran nicht beteiligen könnne und wollen.
Ich denke du wirst mir zustimmen, dass solche Zustände mit vernünftigem Unternehmertum rein gar nichts mehr zu tun haben.
Ich bin gegen einen Mindestlohn, weil das Ergebnis aus meiner Sicht nicht das wäre, was es versprechen soll. Es klingt schön und verspricht viel, ohne es wirklich zu halten, wenn parallel nicht die anderen Rahmenbedingungen (Kündigungsschutz, Lohnnebenkosten etc.) auch angepasst werden. Aber das will man in Deutschland - zu Recht - auch nicht.
Die Rahmenbedingungen können meinetwegen sehr gern angepasst werden ;)
Es gibt eine Alternative (sorry, wenn ich jetzt parteipolitisch werde): das liberale Bürgergeld. Das ist eine negative Einkommenssteuer. Wenn jemand weniger als ein festzulegendes Mindestvolumen verdient, dann bekommt er in Form einer negativen Steuer einen Ausgleich. Wichtig dabei ist aber - als Anreiz, damit man arbeitet - dass der tatsächliche Lohn nur anteilig angerechnet wird, damit man definitiv mehr hat, als wenn man nicht arbeitet. Insgesamt hat das drei Vorteile:

1. Man erhält mehr als ein Arbeitsloser
2. Es gibt nicht dutzenden von Sozialleistungen, die man kaum überblicken kann, sondern nur noch eine Stelle, das Finanzamt
3. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zahlen weiterhin in die Sozialsysteme ein, so dass unser Sozialsystem entlastet wird.
Diese Alternative halte ich ebenfalls für sinnvoll, aber die wird sich ja noch viel weniger durchsetzen lassen als ein Mindestlohn...
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Beitrag von Thies »

Chris_TG hat geschrieben:im Prinzip hättest Du Recht, leider übersiehst Du ein paar wichtige Punkte:
Ich würde auch nie behaupten, dass ich die Wahrheit gepachtet hätte und von allem Ahnung habe :D :D :D
Chris_TG hat geschrieben:- Von 4€ die Stunde kann man als Alleinverdiener in Deutschland nicht über die Runden kommen. Also erhalten diese Leute weiterhin vom Staat Zuschüsse. Trotzdem "belegen" diese Leute eine Vollzeitstelle, von der die Staatskasse normalerweise durch Lohnsteuer etc. profitieren sollte. Also zusammengefasst: Finanziell vom Staat nach wie vor abhängig und Vollzeitstelle trotzdem belegt!
Zum ersten Teil gebe ich Dir grundsätzlich Recht, natürlich kann niemand von 4 Euro pro Stunde leben. Es ist aber m.E. ein Irrglaube, dass wir jeden Job mit einem Stundenlohn ausstatten können, der alleine zum Lleben ausreicht. Es wird immer Hilfsarbeiten etc. geben, die auf einem qualitativen Niveau sind, dass das wirtschaftliche Ergebnis dieser Arbeit keinen höheren Lohn rechtfertigt. Selbst wenn es Vollzeitarbeitskräfte sind. Und dann muss das Sozialsystem greifen, dafür wurde es ja eingeführt.
Chris_TG hat geschrieben:- Schon heute ist das Thema Altersarmut im Gespräch. Wenn unser Rentensystem so bleibt wie es ist, dann werden diese Leute im Alter alle am Hungertuch nagen, denn das einzige was derzeit zählt, sind die Arbeitsjahre und der Bruttolohn. Und da können diese Leute nicht wirklich punkten - im wahrsten Sinne des Wortes!
Ja, weil i.d.R. es nicht lohnt zu arbeiten, weil man mit oder ohne Arbeit denselben Lohn hat. Und dann wird auch nichts in die Sozialsysteme gezahlt. Das o.g. Bürgergeld hilft da z.T. weiter. Aber auch nicht komplett, das weiss ich selber. Das Rentensystem als Umverteiler der Zahler an die Empfänger kann bei der Alterspyramide der kommenden Jahre nicht mehr funktionieren. An die Alternative einer kapitalstockgedeckten Rentenversicherung wagt man sich in Deutschland aber nicht ran, weil das eine höhere Eigenverantwortung der Bürgern voraussetzt und somit Risiken hat, wenn nicht jeder dieser Verantwortung nachkommt.
Chris_TG hat geschrieben:- Wie ich bereits schrieb: Wenn es in Deutschland möglich ist, Unternehmen zu gründen, welche auf der Basis der Ausbeutung ihrer Angestellten funktionieren, dann ist hier etwas faul! Dass ein Mindestlohn nicht die beste Lösung ist, ist uns allen hier klar, denke ich. Aber im Moment gibt es für die Betroffenen keine wirkliche Alternative.
Auch hier muss man aufpassen. Die Masse der Unternehmen basieren nicht auf der Ausbeutung der Mitarbeiter. Denn das rechnet sich langfristig nicht, insbesondere in den kommenden Jahren wird es ein Problem der Besetzung von Lehrlingsstellen und Facharbeiterplätzen geben, also eine Umkehrung der aktuellen Situation.
Chris_TG hat geschrieben:- Ich bleibe dabei: Es darf in einem Staat mit einer sozialen Marktwirtschaft nicht sein, dass Leute für Beträge arbeiten, von denen man seine Lebenshaltungskosten nicht decken kann!
Falsch, das wäre Sozialismus, aber nicht soziale Marktwirtschaft! Soziale Marktwirtschaft bedeutet, dass die Masse von ihren Löhnen leben kann und der Rest vom Sozialsystem aufgefangen wird.

Der Inhaber von EMNID hat es jüngst auf einer Veranstaltung auf den Punkt gebracht: Wenn solziale Marktwirtschaft die Angleichung der Löhne bedeutet (übrigens: über 80% der Arbeitnehmer sind von der Mindeslohndiskussion auf iveau des DGB nicht betroffen), so wie es die SED, äh sorry die Linke, propagiert, dann werden zwar die Spitzen oben wie unten Richtung Mitte tendieren, dann werden wir aber in Deutschland in den Zyklus eines Unwohlstandes gelangen. Spitzenkräfte werden dann z.B. Deutschland noch stärker als bisher verlassen und für Wohlstand an anderen Orten der Erde beitragen.
Gobo hat geschrieben:Dieses Land bräuchte in einigen Bereichen dringend ein Update- angefangen vom maroden Schulsystem
Richtig, genau hier liegt das Hauptproblem aus meiner Sicht. Wir werden ab ca. 2013-2015 sukzessive den Wechsel des Problems der fehlenden Arbeitsplätze in fehlende Facharbeiter erleben. Wenn es uns also nicht gelingt, unsere Schüler zu geeigneten Fachkräften auszubilden in Schule und Ausbildung und Universitäten etc., dann wird sich das Problem eher noch verschärfen, weil qualititative und damit gut bezahlte Arbeit ins Ausland abwandert, wo es diese Fachkräfte gibt oder diese Fachkräfte aus dem Ausland zu uns geholt werden.
Gobo hat geschrieben:Vielleicht- vielleicht auch nicht.
Zum einen hätten viel mehr Menschen überhaupt erstmal ein wenig Geld übrig, das sie zum Friseur tragen können- ich z.b. war seit mindestens 7 Jahren bei keinem Friseur mehr.
Aha ....
Gobo hat geschrieben:Aber nicht, weil ich zu geizig bin oder die Preise zu hoch finde, eher im Gegenteil- bei manchen wundert man sich inzwischen, wie die ihre Mieten zahlen können- aber ich hab das Geld dafür einfach nicht über. Also schneid ich eben selbst.
Komische Schlussfolgerung. Wenn es so günstig ist, dann müsste es doch eher Anreiz sein, es nicht selber zu machen.
Gobo hat geschrieben:Und von Schwarzarbeit müssen beide Seiten was haben- die Friseuse wird nach einer harten Arbeitswoche wohl kaum auch noch den ganzen Sonntag mit Haare schneiden verbringen, wenn sie es nicht unbedingt muss.
Viele machen das ja auch nicht nach Ihrer Arbeit sondern anstelle der Arbeit!
Gobo hat geschrieben:Es ist doch nichts in Stein gemeißelt- Gesetze kann man ändern und anpassen.
Das hängt davon ab, was die Bild-Zeitung dazu schreibt :) Sorry, das war böse :D
Chris_TG hat geschrieben:Das Bürgergeld wird niemals kommen! Das ist seit Jahrzehnten im Gespräch. Ich weiß nicht, welche Interessengruppen dagegen schießen, aber es wird seit eh und jeh abgeblockt. Genau wie es niemals ein zentrales Schulsystem geben wird, leider...
Gobo hat geschrieben:Diese Alternative halte ich ebenfalls für sinnvoll, aber die wird sich ja noch viel weniger durchsetzen lassen als ein Mindestlohn...
Ich gebe die Hoffnung nicht auf :)

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Beitrag von Gobo »

Aber nicht, weil ich zu geizig bin oder die Preise zu hoch finde, eher im Gegenteil- bei manchen wundert man sich inzwischen, wie die ihre Mieten zahlen können- aber ich hab das Geld dafür einfach nicht über. Also schneid ich eben selbst.
Komische Schlussfolgerung. Wenn es so günstig ist, dann müsste es doch eher Anreiz sein, es nicht selber zu machen.
Fairer Lohn für faire Arbeit- nur hab ich leider keine Arbeit, und wie es ausschaut, wird das auch so schnell nix :(

Mal ein Rückblick aufs letzte Jahr bei mir:

Ich habe im letzten Jahr nicht EINE EINZIGE korrekte Auszahlung des ALG gehabt, die ersten Monate des Jahres wegen eines "Jobs", bei dem ich wegen einem Verdienst zwischen 20 und 50€ JEDEN Monat das Geld nach Erhalt der Lohnabrechnung persönlich abholen "durfte", was dann dafür gesorgt hat dass sich die Fahrtkosten für Job und Geld abholen etwa auf das Doppelte meines "Verdienstes" belaufen haben. Beim Bewerbungsgespräch wurde mir ein dicker Bär aufgebunden, und als ich den Arbeitsvertrag erstmal unterschrieben hatte, durfte ich seitens des Arbeitsamts nicht mehr kündigen.
Kaum den "Job" los, lief der Unterhaltsvorschuß aus- pünktlich im Juni zu den Sommerferien, wo Schulbücher und eine Schulerstausstattung für meinen Jüngsten angeschafft werden mussten. Laut Berechnung des Arbeitsamtes ergab sich dann folgendes: alter Betrag ALG - Unterhaltsvorschuß + Aufstockung zum Existenzminimum= 200€ weniger als vorher in der Summe..
Es dauerte bis NOVEMBER, bis nach zahlreichen Gesprächen, Widersprüchen usw der Rechenfehler endlich korrigiert war. Nebenbei wollte man mir den Betrag, den ein Bekannter mir leihweise aufs Konto überwiesen hat um die Schulausstattung kaufen zu können- ich ging davon aus, dass ich schnell den fehlenden Betrag vom Amt bekomme und es ihm schnell zurückzahlen kann- als Einkommen anrechnen, obwohl sowohl schriftlich als auch bei der Überweisung unmißverständlich festgehalten war, dass es ein zweckgebundenes Darlehen ausschließlich zur Anschaffung der Schulausstattung sei.
Dann, mit dem letzten und endlich erfolgreichen Widerspruch im November, reichte ich auch gleich den Folgeantrag ein für die Fortzahlung von ALG ab Dezember.
Der endlich korrekte Änderungsbescheid samt Nachzahlung trudelte dann Mitte November ein, ich bezahlte meine Schulden bei dem Bekannten sofort, dazu andere Rechnungen die in der Zeit aufgelaufen waren, und machte einige notwendige Anschaffungen, die ich teils seit Sommer aufgeschoben hatte, und dann hab ich mir ENDLICH mal wieder den Kühlschrank vernünftig gefüllt- ich ging ja davon aus, dass pünktlich zum nächsten ersten das nächste Geld kommt. Somit war mein Konto zwar nicht überzogen, aber Guthaben gabs auch kein nennenswertes mehr.
Pustekuchen- die Bearbeitung des Antrages dauerte, dauerte, dauerte. Letzten Endes wurde mir das Dezember- Geld nach zahlreichen Nachfragen am 22.12. auf meinem Konto gutgeschrieben- mein Vermieter lief schon Amok wegen der fehlenden Miete, die Kinder hatte ich schon vorsichtig darauf vorbereitet, dass Weihnachten evtl. dieses Jahr ausfällt. Eine Barauszahlung wurde mir übrigens verweigert, weil ich a) in diesem Jahr schon 4x Geld bar abgeholt hatte und b) im November eine Nachzahlung bekommen hab, die nach Ansicht des Amtsleiters dann gefälligst ausreichend sein sollte, um die Zeit zu überbrücken.

In einer ähnlichen Situation sind immer mehr Menschen die arbeiten, mit ihrer Arbeit nicht genug verdienen und deswegen auf ergänzende Unterstützung angewiesen sind. Ich höre und lese ständig Berichte von Betroffenen und bekomme amtliche Schreiben zu sehen, es ist also nicht so, dass mein Fall ein Einzelfall ist.. eigentlich ist das eher noch harmlos im Vergleich mit dem, was mit vielen anderen Menschen in diesem Land verbrochen wird (Sorry, anders kann ichs teilweise nicht mehr nennen, wenn mir auch bewußt ist, dass es nicht überall so läuft.)
Selbst wenn mein Geld dann mal komplett und pünktlich da ist (kam ja auch schonmal vor ^^), komm ich Ende des Monats null auf null raus- also, selbst wenn der Friseur nur 10 oder 20€ kostet, woher soll ich die nehmen? An den Kindern einsparen?

Eine Bekannte mit dreiviertel- Stelle und 2 Kindern machte sowas 2 Jahre lang mit. Anfangs war sie überglücklich, überhaupt einen Job zu haben, Ende November hat sie einen Selbstmordversuch gemacht, weil sie ausser Arbeit, Mahnungen abarbeiten, Geld zusammenraffen für Schule und Nebenkostennachzahlung und Widerspruch einlegen kaum noch ein Leben gehabt hat und dem Druck nicht mehr standhalten konnte. Zum Glück war sie noch bei so klarem Verstand, dass sie ihre Kinder vorher zu Oma gebracht hat- sonst hätten wir unter Umständen mal wieder von einem Familiendrama in der Zeitung lesen können, bei dem die böse Rabenmutter völlig grundlos ausgetickt ist und alle schön betroffen tun können- von so asozialem Pack ist aber schließlich auch nichts anderes zu erwarten *ironie off*


Das mein lieber Thies ist die Realität am anderen Ende der Gesellschaft. Und es werden täglich mehr Menschen, die so leben müssen.
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Beitrag von Thies »

Gobo hat geschrieben:woher soll ich die nehmen? An den Kindern einsparen?
Sorry, ich konnte nicht wissen, wie es bei Dir aussieht und ich gestehe, ich hatte das mit dem "aber ich hab das Geld dafür einfach nicht über" überlesen. Deine Argumentation kann ich jetzt komplett verstehen und .....
Gobo hat geschrieben:Das mein lieber Thies ist die Realität am anderen Ende der Gesellschaft. Und es werden täglich mehr Menschen, die so leben müssen.
.... das ist mir sehr wohl bewusst. Deswegen bin ich für die soziale Marktwirtschaft und nicht die freie Marktwirtschaft, denn es muss Auffangmöglichkeiten geben. Und es ärgert ich masslos wenn ich Berichte wie Deine höre. Es kann nicht angehen, dass offenkundig (junge) Arbeitsunwillige genügend Geld haben, um sich Flachbildfernseher etc. zu kaufen, aber Familien nicht wissen, wie Sie Schulbücher kaufen sollen. Wobei das i.w. nicht unzureichende Gesetze sondern mangelhafte Umsetzungen in den Behörden sind. Weil zuviele Beamte hier in zuvielen Stellen zuviele Richtlinien haben.

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Beitrag von viviane »

Thies hat geschrieben: Zum ersten Teil gebe ich Dir grundsätzlich Recht, natürlich kann niemand von 4 Euro pro Stunde leben. Es ist aber m.E. ein Irrglaube, dass wir jeden Job mit einem Stundenlohn ausstatten können, der alleine zum Lleben ausreicht. Es wird immer Hilfsarbeiten etc. geben, die auf einem qualitativen Niveau sind, dass das wirtschaftliche Ergebnis dieser Arbeit keinen höheren Lohn rechtfertigt. Selbst wenn es Vollzeitarbeitskräfte sind. Und dann muss das Sozialsystem greifen, dafür wurde es ja eingeführt.
Frank-Andre
Jein - das Sozialsystem ist dazu da die Leute aufzufangen die durch das Netz fallen. Arbeitlos, krank, Rentner, alleinerziehend mit kleinen Kindern ... etc. Aber eben nicht die (Vollzeit-) arbeitende Bevölkerung. Das Arbeit qualitativ unterschiedlich zu bewerten ist, ist völlig klar. Deswegen ist ja der Lebensstandard qualitativ unterschiedlich. Jemand der qualitativ auf einem niedrigem Niveau arbeit dessen Lebensstandard ist auch qualitatv niedrig. Das klingt zwar scheußlich ist aber so und ist auch ok so. Aber es kann nicht sein, dass der minimale Lebensstandard mit der Arbeit GAR nicht mehr gewährleistet werden kann.

Damit kommen wir zu einem Aspekt, den ich persönlich sehr wichtig finde, der meiner Meinung nach für den Mindestlohn spricht und hier noch gar nicht angesprochen worden ist.

Und zwar das Selbstwertgefühl vieler Arbeitnehmer. Weil - wie muss man sich fühlen, wenn man 40 Stunden die Woche arbeiten geht, aber das Geld trotzdem nicht reicht und man DANN noch auf Sozialleistungen angewiesen ist?
Oder andersrum ... warum soll ich überhaupt arbeiten, wenn ich doch noch Leistungen vom Staat benötige um über die Runden zu kommen. Da bleib ich doch lieber gleich zu Hause und hab genauso viel Geld.
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Beitrag von FetterAhn »

Chris_TG hat geschrieben:Was übrigens kaum jemand weiß: Die Firma PIN war schon vor der Einführung des Mindeslohns insolvent. Der Mindestlohn war nun aber ein gefundenes Fressen für die Manager, vor ihrer Unfähigkeit und Misswirtschaft abzulenken.
Fakt ist: Die Insolvenz wäre auch ohne Mindestlohn sehr bald angemeldet worden. Das Ganze ist nur als wirtschaftspolitisches Druckmittel instrumentalisiert worden.

Persönlich betrachtet, frage ich mich ob da nicht prinzipiell schon etwas sehr falsch in Deutschland läuft, wenn es möglich ist, eine ganze Unternehmensstruktur auf der Ausbeutung von Arbeitnehmern aufbauen zu können. Denn Leute für 4-5€ die Stunde arbeiten zu lassen, ist Ausbeutung. Abgesehn davon, dass das unsozial hoch drei ist, kann man davon nicht leben. Zumindest nicht in unserem Land.
Ich finde es irgendwo schlimm, dass wir überhaupt schon soweit sind, dass der Staat gezwungen ist, hier regulierend einzugreifen. Daran sieht man aber mal, wie wenig Macht die Gewerkschaften überhaupt noch haben. Kein Wunder, bei dem Klüngel aus Wirtschaft & Politik...
Ach, ich höre lieber auf... sonst ärgere ich mich nur wieder....

Gruß,
Chris
Das ist im Groben auch meine Ansicht.

Kleine Teile der Globalisierung sind:
1. Den Lohnpreis von Timbuktu oder Agadir in jedem Teil der Welt durchzusetzen und die Argumentation darauf erfolgreich zu begründen. Das man sich mit der täglichen Reisschale in bestimmten Teilen der Welt, unter anderem hier Deutschland bzw. Europa nicht ernähren kann, ist den Chefs dabei egal.
2. Jede Subvention solange es geht mitzunehmen und als direkten Gewinn ohne Rücksicht auf Auflagen einzufahren. (vor allem dabei wird auf die mangelnde Richterschaft gebaut, weil nur Verurteilte Leute... Das Traurige dabei ist, daß jedem Arbeitnehmer so er nur Aua ruft sofort von allen, wirklich allen vom Staat, auch Rechtsanwälten und Ärzten als Staatsfeind Nummer Eins vorverurteilt und so behandelt wird.)
...

Es gibt ein paar nette zeitliche Gemeinsamkeiten im Gebahren der Firmen und bestimmten Gesetzen.
War eine Arbeit, die man sich vor 30 Jahren gesucht hat noch eine fürs Leben. so ist sie es Heute für durchschnittlich 18-24 Monate. Das Beduetet: Jedes Mitglied in der Arbeitswelt muß mit dem Verlust des Arbeitsplatzes nach ca. 18 Monaten rechnen und da die Kündigung Knall auf Fall gemacht wird mit ca. 6 Monaten Arbeitslosigkeit. Das geht vor allem so stark auf die Renteneinzahlungen, daß allein darüber die zu erwartenden Bezüge sinken und jedes Mal sinken. Und es traut sich nicht mal die Presse diesen hochwirksamen Rententöter als Hauptursache der erkannten Rentnerarmut aufzuzeigen. Die anderen beiden Beine, vor allem die Firmenrenten aufgrund der stetigen Auslagerungen von Betriebsteilen aus der Hauptfirma sind schon immer eine Farce gewesen. Aber wie gesagt, ca. 18-24 Monate sagen uns doch was, wenn wir etwas in den Gesetzen Blättern. Ah ja, bis dhin sind alle Subventionen, wie Steuererleichterungen von neuggründeten Firmen abgelaufen, der Kündigungsschutz wird unterlaufen, die Arbeitnehmer sind ein paar Monate über die längste mögliche Probezeit hinaus, schlicht die ganze Zeit zur Arbeit über das gesunde Maß hinaus gezwungen worden. Bevor es doch mal einen Arzt gibt, welcher sich traut die bestehenden gesundheitlichen Schäden auf diesen Umstand zu reklamieren, muß der Arbeitnehmer natürlich aus der Firma raus. Und dann kommt man in die Mühle des Staates, wird von ihm über die neuen Gesetze absolut Rechts- wie Mittellos gemacht und noch tiefer in die Gosse geschubst. Hatte ich den Zyklus von ca 18-24 Monaten erwähnt ? Mit freundlichen Grüße von der Gesundheits- und Sozialreform !

Ein grundsätzliches Problem in der deutschen Arbeitswelt ist neben dem Richtermangel um Bürgerechte bzw. Grundgesetze erfolgreich zu bewachen der Mangel an menschenneutralen Jobs. Fast alle Jobs haben mit Verwaltung (dafür sind aber nur ein Teil der Leute "gebaut"), Rethorik (erfolgreich ist nur wer unabhängig von Wahrheit und Gesetz seine Positionen erfolgreich vertreten kann) und Jobs, die ich nur noch als offenen Betrug an Menschen bezeichnen kann, Wirtschaftsjobs halt, zu tun.
Es fehlen genau, die Kohle und Stahlkumpel, die anständigen Technikberufe und noch anständigeren Landwirtschaftlichen, darunter die Wanderarbeiter zum Ernten. Alles von Maschinen ersetzte Tätigkeiten, in denen sich Leute austoben konnten, welche eben nicht Verwalten konnten, oder denen nicht egal ist, daß die Heimatstadt in Deutschland is.

Mindestlohn, achja, der läßt sich in Deutschland gerichtlich nicht durchsetzen ! Man hat als Arbeitnehmer nur eine Chance auf gesetzlicehn Lohn, das ist der Eintritt in eine Gewrrkschaft und die Wahl in den Betriebsrat. Dann hat man für die ca. 2 Jahre seinen Mindestlohn, aber ein Klima zum Schneiden, mit hochwahrscheinlciher vorzeitigen freiwilligen Kündigung und damit Strafen in Bezug zu gesetzlichen Hilfen.
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Beitrag von Gobo »

Thies hat geschrieben:Wobei das i.w. nicht unzureichende Gesetze sondern mangelhafte Umsetzungen in den Behörden sind. Weil zuviele Beamte hier in zuvielen Stellen zuviele Richtlinien haben.
Das Problem ist, dass das Gesetz ganz bewußt den Sachbearbeitern viele Ermessensspielräume einräumt und vieles unklar formuliert ist.
Nicht umsonst dauerts mittlerweile mindestens 18 Monate, bis ein einfaches Verfahren bezüglich der Bescheide vor Gericht kommt- bei komplizierteren Sachverhalten dauerts schonmal länger.
Einer Mutter wurde beispielsweise vor Gericht ein Darlehen für eine Klassenfahrt genehmigt, die schon über ein Jahr vorbei war.
Solche Sachen taugen dann wirklich nur noch als Grundsatzurteil- den meisten Betroffenen fehlen aber Zeit und Nerv, sich für andere auf einen Jahrelangen Rechtsstreit einzulassen. Sie geben dann oft lieber klein bei, und lassen sich mit einem faulen Kompromiss abspeisen, obwohl sie eindeutig im Recht sind.
Zudem gibts auch keine übergeordnete Instanz, an die man sich wenden kann- ich durfte meine Widersprüche monatelang immer wieder bei der gleichen Rechenkünstlerin einreichen, und der Amtsleiter hat nur mit den Schultern gezuckt wenn man mal zu ihm vorgedrungen ist.
Das einzige was da hilft ist ein fähiger Anwalt und das Sozialgericht. Aber- siehe oben.
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