Mein persönlicher Reviewbericht - von Frank-Andre Thies
1984 erschien der erste Teil einer der RPG-Reihen und gehört neben Wizardry zu den ältesten und bekanntesten des Genres. Seinerzeit noch auf dem Apple IIC mit EGA-Grafik erschienen, war es das erste RPG in einer Ego-Perspektive. Letzteres wurde über die gesamten Jahre beibehalten. 1998 erschien dann mit Might & Magic VI das erste Game auf Basis einer eigen entwickelten Grafik-Engine, auf deren Basis 1999 und 2000 zwei weitere Teile nachgeschoben wurden. Da die Grafik-Engine bereits 1998 nicht mehr als state-of-the-art bezeichnet werden konnte, war dies der größte Kritikpunkt an den Spielen, die aufgrund ihres besonderen Gameplay aber über eine grosse Fangemeinde verfügte.
Der Entwickler New World Computing, eine Devision der 3DO-Gruppe, kaufte daher die Lizenz für die 3D-Engine Lithtech Development System, die u.a. bei dem bekannten Ego-Shooter No One Lives Forever zum Einsatz kam, um neben dem besonderen Flair der Story und des Gameplays auch eine zeitgemäße Grafik präsentieren zu können. Daneben wurden viele Features überarbeitet, ergänzt, teilweise gestrichen.
Kann der 9. Teil an die Erfolge der frühen Teile anknüpfen, konnte die Schwäche der Teile 7 und 8 beseitigt werden?
ZUM SPIEL:
Might & Magic IX spielt auf dem Planeten Axeoth, genauer gesagt in der nördliche Region von Chedian des Kontinents Rysh. Vor über 500 Jahren herrschte das Ursanischen Imperium über diesen Kontinent und führte einen erbitterten Kampf gegen den berühmten Zauberer Verhoffin. Als die ursanischen Truppen kurz davor standen, den Turm des Verhoffin einzunehmen, verwüstete dieser mit seinen magischen Kräften den Kontinent, das Ereignis wird heute unter der Bezeichnung Great Cataclysm in den Geschichtsbüchern geführt. Das Imperium zerbrach, die Kulturen und die Wirtschaft wurden nahezu ausgelöscht. Nach Jahrhunderten der Anstrengung beginnt nun das Leben wieder zu florieren. Doch im Westen des Landes taucht eine neue Gefahr auf. Eine Horde aus Beldonia hat sich eine Schneise durch den Kontinent von Rysh geschlagen und vernichtet alles, was sich ihm in den Weg stellt. Es ist nun eure Aufgabe, die sechs Clans von Chedian zu vereinen, um die Horden von Beldonian zu aufzuhalten.
Das Abenteuer beginnt auf einem Wikingerschiff, dass plötzlich in Schwierigkeiten gerät und vor der Isle of Ashes inmitten der Verhoffin Sea auf Grund läuft. Die Überlebenden sind zwischen den Wracks verstreut und der Spieler muss seine Party mühsam zusammen suchen, um von der Insel auf der Suche nach Ruhm und Reichtümern zu flüchten
Die erste Aufgabe ist es, aus 4 verschiedenen Rassen (Menschen, Zwerge, Elfen und Halb-Orks) eine vierköpfige Party zu erstellen. Neben dem Geschlecht können zu Beginn 2 unterschiedliche Klassen (Might / Macht und Magic / Magie ) genutzt werden, die im Zuge der Handlung durch Erfüllung von Aufgaben und dem Sammeln von Kampferfahrungen verbessert werden können. Insgesamt stehen somit 11 unterschiedliche Klassen zur Verfügung, darunter der Paladin, der Ranger oder der Priester. Die Fähigkeiten, für die eine gewisse Anzahl von Punkten zur Verfügung stehen, entsprechen den aus Vorgängern bekannten Skills (might, intellect, personality, endurance, accuracy, speed and luck). Daneben können verschiedene Fähigekeiten erlernt werden, zu den wichtigsten gehören sicherlich die Waffen, magische Fähigkeiten oder wichtige Dinge wie Fallen entschärfen oder Handel. Diese stehen nicht jeder Klasse zur Verfügung und können in den Stufen Experte, Meister und Großmeister ausgebaut und weiter verbessert werden
Im Verlauf des Spiels können sich bis zu 3 weitere Charaktere (sogenannte NPC) dem Spieler hinzugesellen, die die Party einerseits im Kampf unterstützen und / oder vorhanden Fähigkeiten zu ergänzen resp. zu verbessern.
Neben dem Bekämpfen der durch die Regionen streifenden Monstern, Banditen und anderen Gegnern ist vor allem das Lösen und Erfüllen von Aufgaben Kernaufgabe des Spielers. Dabei kommen typische Aufgaben wie "Bringe X von A nach B" vor, aber auch komplexere Lösungen müssen gefunden werden. Es gibt Quests, die die Geschichte des Spiels vorantreiben, aber auch Aufgaben, die nicht erfüllt werden müssen, jedoch zum Ausbau der eigenen Charaktere wichtig sind. Dabei ist das Spiel wie bisher schon nicht-linear, man muss die Aufgabem nicht in einer bestimmten Reihenfolge erfüllen, manche Dungeons können zu einem frühen Zeitpunkt auch nicht betreten werden, da die Gegner zu stark sind und das Ende der Party schnell erlebt werden muss.
NWC / 3DO haben einige Features geändert, ergänzt und entfernt, hier eine kurze Übersicht der wichtigsten:
Magiesystem:
Das Magiesystem wurde von Grund auf erneuert. Es wird 4 Zauberschulen geben (Licht, Schatten, Elementar und Spirituell). Für die mächtigen Zauber wird man Fähigkeiten in bis zu 3 dieser Schulen beherrschen müssen. Unterschiedliche Ausbildungen werden die Effekte beeinflussen können.
Die Starrheit der Zauberschulen wurde verändert. Früher gab es 8 Schulen mit je 12 Sprüchen,die Schulen wurden dahingehend verändert, dass keine sinnlosen Sprüche genommen wurden, nur damit die Feuerschule auch 12 hat. Z.b wurde der Spruch "Create Food" ("Fast Food") gegen "Magic Mine" ("Magischen Mine") ausgetauscht, welcher im Inventory deines Charakters einen Gegenstand in eine Magische Mine verwandelt.
NPC:
Eine der größten Veränderungen war die Erstellung eines komplett neuen Konservation - Systems. Nunmehr werden die Gespräche deutlich interaktiver geführt, Informationen müssen erfragt werden, um Hintergründe, Gerüchte und den Standort von Personenherauszufinden.
Gegner:
Die KI der Gegner wurde deutlich verbessert. Diese greifen eher in Gruppen an, intelligentere Gegner fliehen auch, wenn sie stark verwundet sind oder sich nur geringe Chancen ausrechnen. Dabei hat man diesmal auf Horden von Gegnern verzichtet und die Möglichkeiten einzelner Monster verbessert. Ganz neu gibt es eine Party-Formation , d.h. man kann auswählen, wo genau die einzelnen Partymitglieder (inkl. NPC) bei Kämpfen plaziert werden, wobei es drei Reihen a 3 Plätze gibt. Somit können Nahkämpfer mit hohen Hitpoints in die erste Reihe gestellt werden, die die schwächeren Charakter (i.d.R. die Magiebegabten) abdecken können. Da sicherlich auch wieder Angriffe aus allen Richtungen erfolgen können, nimmt dieses Feature einen wesentlichen Stellenwert ein.
Inventory:
Ebenfalls komplett neugestaltet, gibt es nun keine sogenannte Paperdolls mehr, also eine Ansicht des Charakters inkl. der gewählten Kleidungsstücke und Waffen. Dafür können nun bis zu 100 Items pro Charakter mitgeführt werden, was eine deutliche Erhöhung gegenüber den Vorgängern bedeutet,
Artefakte:
Wie bereits bei den Vorgängern werden die Waffen, Rüstungen und sonstigen Items durch mächtige Artefakte ergänzt, die man z.B. bei starken Gegnern oder in - teilweise gut gesicherten - Schatztruhen finden kann. Neu sind kombinierbare Artefakte, d.h. wenn man alle Artefakte einer "Gruppe" besitzt, statten diese den Spieler mit noch besseren Werten aus.
Sonstiges:
Der Skill "Fliegen" wurde - zum Leidwesen einiger Fans - entfernt, was aber dazu führt, dass sich der Spieler nicht einfach "absetzen" kann oder gefährliche Gebiete "überfliegt". Auch das bekannte Obeliskenrätsel, das nach Erfüllen besondere Schätze finden läßt, wurde entfernt.
FAZIT:
Might and Magic 9 startet mit einem sehr differenzierten Bild. Liebgewonnene Features aus den Vorgängern wurden zu Gunsten der neuen Grafik-Engine entfernt, die Steuerung selber wurde auch in Teilen geändert, so dass selbst Fans der Reihe sich in Details umstellen müssen. Auch startet das Spiel eher schwach, in den ersten 1-2 Stunden ist das Anspruchslevel eher gering. Hat man aber diese Zeit "überwunden" und sich an die neue Steuerung gewöhnt, erwartet den Spieler ein sehr kurzweiliges Rollenspiel mit stark einer ansteigenden Spannungsquote. Die Möglichkeiten der neuen Grafikengine wurden zwar nicht bis zum Optimum ausgenutzt, aber das Flair des Spiels liegt weniger in der Grafik, sondern im Lösen der Aufgaben und in den Kämpfen. Gerade die verbesserte KI der Gegner bringt neue Taktiken und Strategien mit sich. Das neue Konservationssystem mit über 400 Textpassagen interessant umgesetzt, teilweise verliert sich die Story jedoch im Verlauf des Spiels.
Fans und Neueinsteiger können aber auf jeden Fall ein Hack & Slay - Game alter Schule geniessen. Sicherlich läßt sich das Game weder mit Action-RPGs wie Diablo 2 oder einem Wizardry 8 vergleichen, wenngleich gerade zum letzteren gewissen Anlehnungen im Bereich der Darstellung und der Features festzustellen sind. Nach den ersten beiden Stunden und den beiden viel zu schwachen Anfangskarten startet Might & Magic 9 aber durch und präsentiert sich deutlich gereifter gegenüber den Vorgängern, so dass man die beschriebenen Schwächen sehr schnell verzeihen kann.
Sollte es 3DO schaffen, gewisse Details in der Darstellung und im Gameplay noch per Patch zu beseitigen / zu verbessern, könnte man die Wertung eher im oberen 80%-Bereich ansiedeln.
WERTUNG: 82%
PRO:
Grösse des Spiels:
Ich glaube, es gibt kaum ein Spiel mit einer derartig grossen Welt. Die Anzahl der Dungeons und Aufträge kann sich wirklich sehen lassen und gerade durch das nicht-lineare Spielprinzip findet man immer noch etwas neues und kann mit unterschiedlichen Charakteren neue Erkenntnisse sammeln.
Magie-System:
Selten gab es ein derartig gut ausgeklügeltes Magiesystem wie in der Might and Magic - Serie. Aber Achtung: Nicht jeder Charakter kann alles erlernen. Und nur die Meister oder Großmeister können die wirklich starken Sprüche erlernen und anwenden.
Charaktere:
Ebenso wie das Magiesystem, sind auch die Möglichkeiten, den eigenen Charakter zu verbessern und auszustatten, sehr intelligent aufgebaut. Jede Charakterklasse hat seine Vor- wie Nachteile. Ein Lich kann zum Beispiel nie ein guter Kämpfer werden, dafür kann er die stärksten offensiven Zaubersprüche erlernen. Jede Fähigkeit muß gegen Abgabe von Gold erlernt werden und die Ausbilder zum Erlangen der höheren Stufen sind über das ganze Land verteilt. Um seine Fähigkeiten verbessern zu können, muß man entsprechende Punkte in Kämpfen und besonderes dem Erfüllen von Aufgaben sammeln.
Sound:
Die Sounduntermalung ist sehr atmosphärisch und dicht.
CONTRA:
Automapping:
Im Gegensatz zu den Vorgängern zeigt die Map sofort alle Bereiche an, das Gefühl des "Entdeckers" geht dadurch verloren. Auch kann die Map nicht mit Hinweisen versehen werden, was hin und wieder zu einem ziellosen Suchen nach den gesuchten Personen führt.
Auflösung:
Es steht lediglich eine Standardauflösung von 800 * 600 Pixeln zur Verfügung, was nicht dem aktuellen Stand der Entwicklung entspricht.
Interface:
Das Skillsystem ist teilweise nicht selbsterklärend, konkrete Auswirkungen des Level-Anstiegs und welcher Charakter was erlernen kann, können der Beschreibung nicht ohne weiteres entnommen werden. Gerade zu Beginn fühlt man sich - besonders sicherlich als Neueinsteiger - verlassen.