Mein Reviewbericht zu Heroes IV - von Frank-Andre Thies:
Bubblegum-Grafiken ... Weniger Stadttypen als beim Vorgänger = weniger Spielspass ... das sind zwei Kritikpunkte, die im Vorfeld der Veröffentlichung von Heroes of Might & Magic IV die Runde in diversen Diskussionsforen machten. Sollte die Sorge berechtigt sein, dass der 4. Teil der renommierten Strategiereihe die hoch angesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben sollte? Stirbt ein Mythos? Um es ganz deutlich zu sagen: Nein.
Heroes IV geht deutlich andere Wege, wie sein Vorgänger. Während beim dritten Teil das Wort MEHR dominierte (Mehr Monster und Helden, mehr Städte, größeres Schlachtfeld, mehr Zaubersprüche), setzt 3DO / New World Computing auf ein deutlich differenzierteres Gameplay mit einem verstärkten Einsatz von Rollenspiel-Elementen. Dabei wurden viele Wünsche, die im Vorfeld in den USA erfragt wurden, eingearbeitet, um das Spiel noch näher an die Erwartungen der Fangemeinde anzupassen. Somit ist für Fans der Wiedererkennungseffekt hoch, andererseits findet man immer wieder interessante Neuerungen. Aber auch Neueinsteiger werden wochenlang begeistert sein, da man sich sehr schnell in das Spiel hereinfinden kann.
Heroes of Might & Magic IV spielt nach einer Katastrophe, die das Land Erathia zerstörte - das zentrale Land in den bisherigen Heroes of Might and Magic-Spielen. Einer der Überlebenden dieser Zerstörung ist eine Frau namens Emilia Nighthaven - die nun den Frieden und die Gesetze der Welt wiederherstellen soll. Bei diesem Versuch trifft sie auf den unverwundbaren König Magnus, der tödliche Dragon Golems kommandiert und ein Artefakt besitzt, mit dem er die Gedanken anderer kontrollieren kann.
Das Grundprinzip der Reihe wurde konsequent beibehalten. Es gibt in den Kampagnen jeweils einen Haupthelden, der seine Truppen siegreich in Schlachten führen muss und / oder Aufgaben zu erfüllen hat. Dabei kann er von weiteren Helden unterstützt werden. In den meisten Missionen steht ferner der Aufbau einer oder mehrerer Städte im Vordergrund, um sukzessive eine starke Armee rekrutieren zu können. Dafür stehen 7 Rohstoffe zur Vergfügung: Gold, Holz, Eisenerz, Kristalle, Edelsteine, Quecksilber, Schwefel. Diese können in Minen gefördert werden, die über die mal grösseren, mal kleineren Karte verstreut liegen und nur darauf warten, von Euch in Besitz genommen zu werden. Manchmal liegen auch Ressourcen einfach so in der Gegend herum und können einverleibt werden. Aber auch Artefakte, Schreine, Gegenstände mit überraschenden Wirkungen, Wegelagerer und anderes Gesindel laufen Euch über den Weg.
Daneben gibt es aber auch Szenarien, in denen der Spieler mit einer festen Truppe einen speziellen Auftrag zu erfüllen hat.
Wo liegen nun die wesentlichen Veränderungen?
Die Anzahl der Stadttypen wurde von 8 auf 6 reduziert, die Anzahl der Einheiten fällt mit 66 auch etwas geringer aus. Dafür wurde aber das Zusammespiel der einzelnen Features untereinander deutlicher verändert. Während beim Vorgänger alle möglichen Kreaturen eines Stadtypes auch entwickelt werden konnten, muss sich der Spieler nun entscheiden, welche Einheiten er nutzen möchte. Insgesamt gibt Heroes IV dem Spieler mehr Kontrolle als vorher. Der Spieler kann für seinen Helden aus elf verschiedenen Startprofessionen wählen: Ritter, Priester, Todesritter, Nekromant, Lord, Magier, Dieb, Hexer, Bogenschütze, Druide und Barbar. Diese verschiedenen Klassen nehmen mit unterschiedlichen Grundskills des Helden Einfluss auf die weitere Charakterentwicklung. Im Laufe des Spiels sind 37 unterschiedliche Charakterklassen verfügbar.
Werden Kämpfe erfolgreich absolviert und Aufgaben gelöst, erhält der Held (wie schon bei den Vorgängern) Erfahrungspunkte, die er zur Verbesserung der Fähigkeiten einsetzen kann. Dabei ist das Skillsystem so detailreich ausgebaut worden, dass der Spieler in den seltesten Fällen alle möglichen Kombinationen überhaupt durchleben kann. Hier ist strategisches Geschick angesagt, den Helden so sinnvoll zu entwickeln, um eine optimale Ausgewogenheit zu erreichen.
Auch das Magiesystem wurde renoviert. Es stehe Sprüche von fünf unterschiedlichen Magieschulen zur Verfügung: Chaos, Tod, Leben, Macht, Natur und Gesetz. Die meisten davon werden im Kampf angewendet, doch gibt es auch einige, die ausserhalb des Schlachtfeldes zur Anwendung kommen, beispielsweise um Truppen über grosse Entfernungen zu teleportieren. Truppen können nun jedoch auch mittels Karavanen transportiert und sogar ganz ohne Held genutzt werden, was aber in den seltensten Fällen sinnvoll sein dürfte.
Eine der größten Veränderungen betrifft das Kampf- und Zugsystem. Während bei den Vorgängern der Held eine Truppe um sich scharrte, diese als Dirigent in den Kampf schickte und lediglich mit Zaubersprüchen unterstützen konnte, greift der Held diesmal selber ins Kampfgeschehen ein. Dabei können auch mehrere Helden in eine Truppe aufgenommen werden, nur belegt jeder Held einen der 7 vorhandenen Slots, so dass der Spieler dadurch weniger Einheitentypen mit sich führen kann. Apropos Einheiten: diese unterscheiden sich nicht nur in der Ausstattung mit Werten wie Hitpoints, Schadenswerten etc., jede Einheit besitzt auch bis zu 4 Spezialitäten, die taktische Vorteile im Verlauf des Spieles mit sich bringen können. Dazu gehören Fähigleiten wie Zaubersprüche nutzen zu können oder auch das nette Gimmick der Bauern, pro Einheit und Tag ein Stück Gold in die Staatskasse zu erwirtschaften. Ausserdem können Einheiten nun auch ohne Helden die Karte erkunden, die genreüblich mit einem Fog-of-War ausgestattet ist, so dass nur Regionen im Sichtbereich der Einheiten angezeigt werden.
Der Kampf findet wieder auf einem separaten Kampfbildschirm statt, wobei in der Verkaufsversion 1.0 das Hexfeldgitter nicht mehr vorhanden ist, mit der man genau absehen kann, wie weit eine Einheit / ein Held sich im laufenden Zug bewegen kann. Der Patch 1.2 führt zwar ein sogenanntes Grid (Schachbrettmuster) inkl. MovementShadow ein, welches dieses Manko beheben soll, das Ergebnis ist aber leider eher zweifelhaft. Ebenfalls rundenbasiert werden die Kämpfe vollzogen, bei denen man sich entscheiden kann, ob man seine Einheiten versetzt, angreift oder Zaubersprüche nutzt. Eine angegriffene Einheit wird - sofern nicht vollständig vernichtet - automatisch zurückschlagen. Wer alle gegnerischen Helden und Einheiten besigt hat, geht siegreich aus dem Kampf hervor. Verliert man seinen eigenen Haupthelden, hat man auch die Mission verloren und man darf nochmal beginnen. Verliert man einen anderen Helden, kann man diesen in der Stadt der Gegner wieder befreien.
Auffallend ist die verbesserte KI der Gegner, so dass selbst auf den einfacheren Spielstufen ein taktisches Vorgehen dringend erforderlich ist. Die einfache Massenproduktion von Einheiten alleine reicht nicht immer aus. Vor allem im Kampfbildschirm zeigt dich der Computergegner sehr versiert, Schwächen des menschlichen Spielers auszunutzen. Veteranen werden aber weiterhin wenig Probleme mit den computer-gesteuerten Gegnern haben.
Zum Einsatz kommt zwar eine neue 3D-Grafik-Engine, die aber aufgrund der vielen Farben zunächst den Spieler erschlägt und auf weiten Strecken eher 2D-Charakter hat. Dafür haben sich die Entwickler aber bei den Hintergründen, Objekten und Effekten sehr viel Mühe gegeben und es zeigt sich, dass ein gutes Gameplay mehr Spielspass erzeugt wie die besste Grafikengine. Der Spieler kann Auflösungen zweichen 800 * 600 und 1.280 * 1.024 nutzen, wobei höhere Auflösungen einen deutlich größeren Kartenausschnitt mit sich bringen. Enttäuschend sind aber die Zwischensequenzen und die Einführung in die einzelnen Missionen, die im wesentlich aus ellenlangen Texten bestehen. Hier hätten schöne Rendervideos wie bei anderen Spielen das i-Tüpfelchen gebracht.
Die größten Kritikpunkte sind der fehlende Multiplayer-Modus, der in Kürze aber per Patch nachgeliefert wird, sowie diverse Bugs in der Verkaufsversion 1.0. Besonders extrem ist ein Speicherleak, der dazu führt, dass das Spiel sich nach ein paar Stunden aufhängt. Dieser und andere Bugs wurden aber mit einem Patch 1.2 (aktuell nur für die US-Version, UK und dt. Version kommen in Kürze) weitestgehend behoben, so dass sich die Wertung auf die Version 1.2 bezieht.
FAZIT:
Fans des klassischen rundenbasierten Stratgiegenres werden wieder begeistert sein. Anstelle einfach nur mehr Städte, mehr Einheitentypen etc. einzubauen, wurden viele Details erweitert und verändert. Also Qualität anstelle von Quantität. Heroes IV setzt die Tradition eines kurzweiliges Spielvergnügens und eines süchtigmachendes Spielprinzips fort und schafft es damit, erneut Referenzspiel für das Genre zu werden. Dank des mitgelieferten, einfach zu bedienenden Editors wird die umfangreiche Fangemeinde schnell für unzähligen Missionen und Kampagnen sorgen. Die Grafikengine setzt keine Maßstäbe und wirkt auf weiten Strecken doch etwas zu bunt, dafür ist sie aber sehr funktionell und sorgt auch bei älteren PC für ein reibungslosen Spielverlauf. Eine Wertung im 90er Bereich scheitert am (noch) fehlenden Multiplayer-Modus und der Tastsache, dass die deutschen Fans das umfangreiche (und benötigte) Handbuch selber ausdrucken müssen.